Warum die Rallye an den Aktienmärkten anhält
Technologie- und Konsumaktien werden besonders gute Chancen eingeräumt.
Raja Korinek. Es ist heuer sichtlich ein Jahr der Extreme, auch an den Börsen. Am 16. März erlitt der S&P 500 mit einem Minus von 12,8 % den drittgrößten Tagesverlust seit 1928, zeigt Alexander Lechner, Leiter Multi Asset Management bei Erste Asset Management, im jüngsten Jahresausblick auf. Der Kursgewinn von rund 9 % wenige Tage nach dem Crash-Tiefpunkt war der zehnthöchste seit 1928, und damit ebenfalls durchaus kräftig.
Der Grund für die dann rasche Erholung liegt für Lechner auf der Hand: Die Notenbanken hätten zügig reagiert, etwa bei Zinssenkungen und dem Start weiterer Anleihekaufprogramme. Auch die Fiskalpolitik spielt erstmals eine wichtige Rolle. Lechner findet diese ebenfalls als eine wichtige Stütze für die Märkte. Allein in Europa ist ein 750 Mrd Euro schwerer Wiederaufbaufonds geplant, der laut EU-Parlament aber nachgeschärft werden muss. In den USA sind etwa Hilfen wie Steuererleichterungen in Höhe von rund 11 % des BIP geplant.
Unternehmen können überraschen
Der Erste-Experte sieht zudem die überraschend guten Unternehmensgewinne im zweiten Quartal 2020 als weiteren Kurstreiber. „In den USA haben mehr als die Hälfte der Unternehmen Ergebnisse veröffentlicht. Dabei haben 85 % die Schätzungen der Analysten übertroffen und nur 13 % enttäuscht“, sagt Lechner. Und in Europa? Da liegen die Gewinne bislang um 18 % unter dem Niveau des Vorjahres.
Dabei dürfte sich die Lage weiter verbessern, ist man bei NNIP überzeugt. Dort verweist man auf den Marktkonsens, der auf eine V-förmige Erholung deutet. Damit dürften die Unternehmensgewinne in den USA das Niveau von Ende 2019 übertreffen und in der Eurozone um nur knapp 5 % darunter liegen.
Eurozone bevorzugt
Regional präferiert der Stratege Patrick Moonen vom Assetmanager NNIP die Eurozone gegenüber den USA. Ihm gefällt, dass der geplante EU-Wiederaufbaufonds ein wichtiges Signal zu Einheit signalisiere, ein Umstand, den er in den USA vermisse. Vor kurzem wurden zudem Schwellenländeraktien auf ein „Übergewichten“ heraufgestuft. „China, Südkorea und Taiwan machen mehr als 60 % der Schwellenländer-Benchmark aus und haben die Covid-19-Krise gut gemanagt.“ Zudem seien deren Wirtschaft stark von New-Economy-Branchen geprägt, betont Moonen. Diese boomen vor allem seit dem Lock-Down.
Überhaupt findet Moonen Gefallen am Technologiesektor, nebst Industrietiteln und Rohstoffaktien, die beide von der Wirtschaftserholung profitieren dürften. Bei Pictet Asset Management gefallen Chefstratege Luca Paolini wiederum Konsumtitel: „Der Sektor konnte mit der Marktrallye nicht mithalten.“ Paolini meint, dass aber die Konsumausgaben mit der Wirtschaftserholung steigen, wovon die Sektor-Aktien profitieren sollten. Und dann ist da noch die „Grüne Welle“, die nach Meinung von Walter Hatack, Leiter Responsible Investments bei der Erste Asset Management, weiter rollen werde. Vor allem in Europa dürfte sie Rückenwind erfahren. Dort sind heute schon zahlreiche Gelder an Investments in eine nachhaltige Wirtschaft geknüpft.
Teure Bewertungen beachten
Allerdings sollte man die Risiken nicht außer Acht lassen. Schließ-lich haben die globalen Aktienmärkte seit dem Tiefstand von Mitte März rund 40 % zugelegt. Paolini von Pictet meint: „Unsere Modelle deuten erstmals seit September 2018 auf eine teure Bewertung in einem 20jährigen Vergleich hin.“ Und auch Ingrid Szeiler, CEO der Raiffeisen KAG, sieht kurzfristig zu viel Zuversicht eingepreist, wie sie sagt und mahnt: „Wir sind weiterhin vorsichtig positioniert.“
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