Klimawandel: nicht alle Risiken eingepreist

Die Folgen der Erderwärmung werden sich früher oder später in den Kursen aller Unternehmen spiegeln.

Patrick Baldia. Dass der Klimawandel drastische Folgen für Gesellschaft und Wirtschaft hat, wird von Jahr zu Jahr klarer. „Während sich die Folgen des Klimawandels früher kaum gezeigt haben und in erster Linie von der Wissenschaft thematisiert wurden, sind sie heute für eine breite Öffentlichkeit greifbar, wie das etwa aktuell die Waldbrände an der US-Westküste zeigen“, bringt es Walter Hatak, Leiter des ESG-Teams bei der Erste Asset Management (EAM), auf den Punkt. Dadurch steige letztlich auch der Druck auf die Politik, etwas zu unternehmen bzw. entsprechende Pakete zu verabschieden.

Trotz der erhöhten Aufmerksamkeit für den Klimawandel sind sogenannte „Transionsrisiken“ wie etwa steigende Preise für CO2-Emissionen oder veränderte Konsumentenpräferenzen bislang nur in den Kursen einiger weniger Sektoren eingepreist, wie etwa bei Ölwerten. Dass die Branchenplayer dieses Thema auf der Agenda haben, zeigen etliche Beispiele: So will sich die OMV mit der Akquisition der Borealis verstärkt in der Petrochemie- und Kunststoffindustrie positionieren. BP hat wiederum erst vor wenigen Tagen bekanntgegeben, künftig das emissionsarme Strom- und Gasgeschäft ausbauen zu wollen.

Dass der Klimawandel bislang nur auf die Bewertungen ausgewählter Sektoren – und vor allem jener, die mit stark erhöhten Transitionsrisiken konfrontiert sind – erhebliche Auswirkungen gehabt hat, hat für Maria Elena Drew, Director of Research Responsible Investing bei T. Rowe Price, einen guten Grund, wie sie dem Börsen-Kurier verrät: „Der Klimawandel hat sich noch nicht besonders stark in den kurzfristigen Cashflows des breiten Marktes niedergeschlagen.“ In vielen Fällen würden etwa Versicherungen Risiken abdecken. Gleichzeitig hätten viele Regierungen noch nicht damit begonnen, Unternehmen für Beschleuniger des Klimawandels zu regulieren oder zu besteuern.

Gesamtes Anlageuniversum betroffen
„Wir glauben, dass die Bewertungen früher oder später die Risiken des Klimawandels – ebenso wie die damit verbundenen Chancen – widerspiegeln werden“, hält Drew fest. Davon werde das gesamte Anlageuniversum betroffen sein – allerdings mit unterschiedlicher Intensität. Denn selbst wenn die globale Erderwärmung innerhalb einer Bandbreite von +1,5 oder +2 Grad Celsius gehalten werden kann, würden sich beispielsweise steigende Meeresspiegel, die zunehmende Häufigkeit von Stürmen, stärkere und häufigere Hitzewellen sowie längere Vegetationsperioden auf die Investmentlandschaft auswirken.

Für Experten besteht jedenfalls kein Zweifel daran, dass Klimarisiken beim Investieren berücksichtige werden sollten. „Unternehmen, die mit einem niedrigen oder gar keinen CO2-Fußabdruck wirtschaftlichen Nutzen schaffen können werden in einer Welt mit zunehmenden Umweltschutzbestimmungen besser positioniert sein als ihre Mitbewerber“, sagt etwa Drew. In die gleiche Kerbe schlägt auch Hotak. „Da CO2-Emissionen höhere Kosten durch steigende Steuern verursachen, ist es klar, dass jene Unternehmen, die denselben Umsatz mit weniger Treibhausgasemissionen produzieren, im Vorteil sind“, sagt er.

Einen Zeitrahmen zu definieren, bis wann bestimmte Risiken eingepreist sein könnten, ist für EAM-Fachmann Hotak sehr schwer. „Manchmal überraschend lange“, meint er. Das habe man etwa im Falle von Covid-19 gesehen. Zu Marktbewegungen sei es erst gekommen, als das Virus in Europa sichtbar wurde. Und noch etwas sei klar – wie auch das Beispiel der Waldbrände an der US-Westküste vor Augen führt: „Man braucht klare Bilder, um sich der Risiken des Klimawandels bewusst zu werden.“

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