Neuer Vorstoß gegen doppelte Diskriminierung
Die Vorsorge mittels Altbauwohnungsvermietung wird in Wien massiv erschwert.
Manfred Kainz. Wer sich mit dem Vermieten einer schönen Altbauwohnung für die Vorsorge was auf die Seite legen will, hat ein Problem – zumindest in Wien: Den Richtwert für den Mietzins bei Objekten, die vor dem 8. Mai 1945 baubewilligt wurden. Dieser Richtwert ist in Wien mit 5,81 Euro je Quadratmeter ziemlich niedrig – zum Vergleich die Steiermark mit mehr als 8 Euro. Und das nennt Kaspar Erath, Obmann des Vereins zur Revitalisierung und architektonischen der Wiener Gründerzeithäuser, im ausführlichen Gespräch mit dem Börsen-Kurier mit deutlichen Worten eine „doppelte Diskriminierung Tausender Wiener Altbaueigentümer“.
Fragwürdig
Denn sie sei rechts- und verfassungswidrig und verlange seit mehr als 25 Jahren von den Betroffenen „fragwürdige Einkommensopfer“: Wiener Altbaueigentümer würden mit dem niedrigen Richtwert zu „Sozialtarifen ohne Ausgleichszahlung des Staates“ gezwungen. Bis heute begründet der Verfassungsgerichtshof den niedrigen Wiener Richtwert damit, dass für die Wiener Bevölkerung ausreichend leistbarer Wohnraum sichergestellt werden müsse und dass Wien mit rund 77 % Mietern wohn- und sozialpolitische „Besonderheiten“ aufweise.
Realität
Dass die Wiener Bevölkerung so „arm“ und auf leistbaren Wohnraum angewiesen sei wie vom VfGH dargestellt, dem widerspricht Erath mit statistischen Daten: Das durchschnittliche Einkommen sei in Wien höher als in der Steiermark, Kärnten, Tirol und Salzburg – die einen deutlich höheren Richtwert aufweisen. Und bei den Pensionseinkommen liegt Wien an der Spitze aller Bundeländer.
Trotzdem leben in Wien knapp 1,1 von 1,8 Mio Menschen in Gemeindebauten oder gemeinnützigen Wohnungen. Aber nur jeder Fünfte in diesen Wohnungen sei wirklich „sozial bedürftig“. Die anderen 80 % nehmen eigentlich jenen den Platz, die ihn wirklich brauchen würden, sieht Erath eine sozialpolitische Ungerechtigkeit.
Außerdem: Die Gemeindewohnungen sind mit Steuergeldern mitfinanziert und haben trotzdem einen höheren durchschnittlichen Richtwert als man den Privaten in schönen Altbauten erlaubt.
Forderung
Die doppelte Diskriminierung der Eigentümer von rund 200.000 privaten Altbauwohnungen über den Wiener Richtwert sieht Obmann Erath nun durch das Rechtsgutachten „Wiener Richtwert unter Diskriminierungsverdacht“ von Univ.-Prof. Thomas Müller, Institut für Öffentliches Recht, Staats- und Verwaltungslehre an der Universität Innsbruck, bestätigt. Und fordert „im Namen aller Diskriminierungsopfer eine rasche Gesetzeskorrektur und eine angemessene Schadensgutmachung“. Und zwar beispielsweise in Form einer „dynamischen, leistungsorientierten“ Förderung für die Altbaueigentümer, die mit ihren Investitionen für sanierten und verdichteten Wohnraum sorgen. Konkret stellt sich Erath eine auf 20 Jahre verkürzte AfA-Dauer (Absetzung für Abnutzung) für Stockwerkssanierungen und Dachausbauten vor. „Das wäre ein steuerlicher Leistungsanreiz, der das Wohnraumangebot vermehren und leistbares Wohnen ankurbeln würde.“
Politik gefragt
Immerhin seien allein in Wien jährlich rund 6.000 Wohnungen zu wenig am Markt und man komme mit dem Neubauen nicht nach. Weiteres Argument des Obmannes: Mit Sanierung und Dachausbau state of the art bei Isolierung etc. komme man dem „grünen“ Wunsch nach Energiesparen nach und setze auf Wohnraumverdichtung statt auf noch mehr Bodenverbrauch.
Von der Politik erwartet Erath, dass „wenn etwas aus dem Ruder läuft“, also etwa Wohnungsmangel, gegengesteuert wird, eben mit einem Programm für private Investitionen mit steuerlichen Anreizen.
Um die aktuelle Diskriminierung und das neue Gutachten zu thematisieren und Verbesserungen voranzutreiben, hat der Verein Wiener Gründerzeithäuser zu einer Podiumsdiskussion mit Vertretern der politischen Parteien und mit Prof. Thomas Müller geladen. Man darf gespannt sein, ob der Wiener Wahlkampf für mutiges Politdenken sorgt.
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