Lohnen sich Öl-Aktien noch?

Zukunft offen, aber günstige Bewertungen bieten aktuell gute Einstiegsmöglichkeit.

Patrick Baldia. Umfangreiche Investitionen in die erneuerbare Energieerzeugung, eine Reduzierung der Öl- und Gasförderung bei gleichzeitigem Fokus auf eine hochwertige Förderung sowie 30 bis 35 % weniger Emissionen aus den eigenen Betriebsaktivitäten. So lässt sich in groben Zügen die von BP-CEO Bernard Looney im August vorgestellte Strategie bis 2030 zusammenfassen. Bis dahin möchte man sich zu einem völlig anderen Energieunternehmen entwickeln.

„Den Energieunternehmen ist klar, dass sie mittel- und langfristig einen Beitrag zur Eindämmung der Erderwärmung leisten müssen“, erklärt uns Hannes Loacker, Fondsmanager in der Raiffeisen KAG. Zumindest seitens der europäischen Player habe man Schritte gesehen, die in diese Richtung gehen. Dazu gehören etwa – wie im Falle von OMV, ENI oder BP – die Forcierung des Gasgeschäfts, mit dem weniger CO2-Emissionen verbunden wären. Die Unternehmen würden aber auch bei der Produktionstechnik Fortschritte machen bzw. diese auf weniger CO2-Emissionen ausrichten.

Beispielsweise will etwa die norwegische Equinor bis 2030 den Geschäftsanteil erneuerbarer Energien auf 10 bis 15 % steigern. Total hat bereits vor einigen Jahren den vierten Geschäftsbereich „Gas, erneuerbare Energie und Strom“ geschaffen und zuletzt das Ziel ausgegeben, den Anteil erneuerbarer Energie an den Gesamtinvestitionen bis 2030 auf 20 % steigern zu wollen. Royal Dutch Shell möchte wiederum verstärkt auf Wasserstoff und Biokraftstoffe setzen. Und auch die OMV bekräftigte – wie der Börsen-Kurier berichtete – bei der Hauptversammlung Ende Oktober ihre einschlägige und durchaus ambitionierte Strategie.

Trotz aller ernst gemeinter Bestrebungen ist dennoch nicht zu erwarten, dass die Energieunternehmen ihre Geschäftsmodelle vollständig über den Haufen werfen und zu reinen Erneuerbare-Energie-Playern werden. „Viele Konzerne haben auch zuletzt kommuniziert, dass Öl und Gas weiterhin ihr Hauptgeschäft bleiben wird“, so Loacker. In vielen Bereichen – wie etwa in der Chemie – werde Öl noch sehr lange ein wichtiger Rohstoff bleiben.

Auf kurze Sicht wird daher die konjunkturelle Entwicklung weiter-hin der maßgebliche Faktor für die Ölnachfrage bleiben. Laut einer Prognose der Internationalen Energieagentur (IEA) wird diese – Covid-19 sei Dank – vor 2021 nicht steigen. Was erwarten die Unternehmen selbst? Die OMV hat etwa bei der HV ihre langfristige Ölpreisprognose – konkret ab 2035 – von 75 USD pro Fass der Sorte Brent auf 60 USD gesenkt. Nach 50 USD im kommenden Jahr, wird 2022 und 2023 von einem Ölpreis von 60 USD ausgegangen. Zwischen 2024 und 2029 soll dieser auf 65 USD ansteigen.

Loacker rechnet in den nächsten fünf Jahren nochmals mit einem „relativ deutlichen Anstieg“ der Ölnachfrage. „Aus dem einfachen Grund, dass in den letzten Jahren zu wenig investiert wurde“, sagt er. Um 2025 herum könnte das Angebot – „möglicherweise zum letzten Mal“ – vorübergehend knapp werden. Ab 2030/35 werde die Nachfrage voraussichtlich jährlich zurückgehen. Nachsatz: „Ab diesem Zeitpunkt wird es also zunehmend schwieriger werden Ölaktien zu einem Investment-Case zu machen.“

Noch ist das allerdings nicht der Fall. Wenn man davon ausgehe, dass sich der Ölpreis in der kommenden Dekade erhole, so wären Energieunternehmen derzeit günstig bewertet, meint Loacker. „Vor allem mit europäischen Öl- und Gasunternehmen könnte man Geld verdienen“, so der Experte.

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