Biotech und die Herausforderungen für Anleger

Investieren in Biotech-Firmen folgt seinen eigenen Regeln. Was es dabei zu beachten gilt. Ein Gastkommentar.

Daniel Koller, Head Investment Management Team BB Biotech. Wir leben in einer Ära rasanten medizinischen Fortschritts. In den 1950er Jahren verdoppelte sich das medizinische Wissen etwa alle 50 Jahre. 2010 dauerte es 3,5 Jahre und in diesem Jahr werden es Schätzungen zufolge nur noch 73 Tage sein. Innovative Technologien und Medikamente revolutionieren die Therapien, bislang als unheilbar geltende Leiden lassen sich inzwischen dauerhaft behandeln und in Einzelfällen sogar vollständig heilen.

Die Corona-Krise rückt die Biotechnologie verstärkt in den Fokus der Investoren. Zwar haben Investoren die Wachstumsdynamik dieser Branche schon seit längerem erkannt (und auch der Börsen-Kurier berichtet regelmäßig über dieses Thema, Anm.), doch Covid-19 hat der Branche nochmals breitenwirksam Schub in der öffentlichen Wahrnehmung verliehen.

Die Branche selbst profitiert in erster Linie vom globalen Bevölkerungswachstum und der heranwachsenden Mittelschicht in Entwicklungsländern. Weltweit steigt zudem die Lebenserwartung. Verbunden mit der globalen Verwestlichung des Lebensstils führt dies zu einer starken Zunahme von Zivilisationskrankheiten wie Fettleibigkeit, Herzkreislauferkrankungen, Diabetes, Alzheimer und Krebs. Und nicht zuletzt zu weiter stark steigenden Gesundheitskosten. Neue Therapieansätze verwandeln tödliche in chronische Krankheiten und sorgen dafür, dass viele Beschwerden heute wesentlich früher und besser behandelt werden können als noch vor einigen Jahren. Neue hoch effiziente Medikamente bringen aber auch eine Entlastung auf der Kostenseite. Sie sind zwar auf den ersten Blick teuer, verkürzen aber die Therapiedauer und bringen den Patienten schneller in den Alltag zurück.

Interdisziplinärer Ansatz für die Aktienanalyse
Die Therapieverfahren werden immer vielfältiger. Und aus der Kombination neuer Ansätze erwachsen zusätzliche Chancen – auch für Anleger. Indes folgt das Investieren in Biotech-Unternehmen seinen eigenen Regeln. Anleger müssen neben den finanziellen Kennzahlen vor allem die Erfolgswahrscheinlichkeit von Medikamenten in der Entwicklung beurteilen. Auch ist die Bedarfsanalyse von zentraler Bedeutung. Das A und O ist eine strukturierte Anlagemethodik mit der dazu erforderlichen Expertise.

Der Analyse- und Selektionsprozess für Biotech-Unternehmen lässt sich schwer mit jenen für Gesellschaften anderer Branchen vergleichen. Einerseits gibt es wenige Sektoren, die einer vergleichbaren Dynamik und einem derartigen Wandel unterworfen sind. Andererseits bedingen Analyse und Aktienauswahl aufgrund der inhaltlichen Komplexität ein Zusammenspiel komplementärer Kompetenzen: Biochemiker, Molekularbiologen, Mediziner und Ökonomen sind Bestandteil eines interdisziplinären Management Teams.

Um das Verhältnis von Rendite zu Risiko optimal auszurichten, strukturieren erfahrene Vermögensverwalter ihr Portfolio gemäß einer sogenannten „S-Kurvenstrategie“. Danach werden kleinere Firmen, deren Produkte sich noch in der klinischen Entwicklung befinden, wegen des erhöhten Ausfallrisikos zunächst niedrig gewichtet. Mit dem zunehmenden Reifegrad werden die Gesellschaften profitabel und erhöhen ihren Cashflow über immer mehr zugelassene Produkte. Bei zunehmender Gewinnentwicklung der Unternehmen kann das Portfolio Management diese Position sukzessive zu einer Kernbeteiligung erweitern. Eine Reduzierung empfiehlt sich, wenn die Wachstumsdynamik abnimmt oder das künftige Wertsteigerungspotenzial in der Bewertung eingepreist ist.

Will sich ein Anleger auf neuartige Technologien fokussieren, bedingt dies eine konsequente Ausrichtung auf wachstumsstarke Biotechgesellschaften, die die nächste Generation an Medikamenten vorantreiben.

Schlüsselelement für die Medikamentenentwicklung
Anleger sollten indes kurzfristig nicht zu einseitig auf die möglichen Therapien gegen Covid-19 setzen – nicht zuletzt angesichts der Ungewissheit über die resultierende Rentabilität solcher Investitionen.

Nachhaltig interessant sind neue Technologien, die die Zukunft der Medikamentenentwicklung prägen werden. Über großes Potenzial verfügen etwa Arzneien gegen chronische sowie bislang nicht oder kaum behandelbare Krankheiten. Dazu zählen die Onkologie und die seltenen, meist genetisch bedingten Erkrankungen. Gerade die individualisierte Krebsmedizin dürfte in naher Zukunft etliche neue Produkte hervorbringen, die die Behandlungserfolge massiv steigern. Bei seltenen erblich bedingten Erkrankungen schließlich können genetische Medikamente Defekte im Erbgut dauerhaft beheben.

Risiko streuen
Anleger, die in Biotechnologie investieren wollen, haben unterschiedliche Optionen: Einzeltitel können für gut informierte Anleger ein Weg sein, die Risiken sind aber nicht zu unterschätzen. Besser man streut das Engagement und investiert diversifiziert in ein Portfolio aus Biotech-Firmen, entweder über aktiv gemanagte Anlagefonds und Investmentgesellschaften wie etwa BB Biotech oder über passive Produkte.

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