US-Börsen: „Bewertungsniveaus nicht nachhaltig“
Experten erwarten bei den US-Indizes eine Rückkehr zu normaleren Bewertungsniveaus.
Patrick Baldia. Die großen US-Aktienindizes haben die coronabedingten Verluste vom Frühjahr längst wieder aufgeholt. So liegt etwa der Dow Jones seit Jahresbeginn mit 5,28 % im Plus. Noch deutlicher zugelegt haben der S&P 500 mit 13 % und vor allem der technologielastige NASDAQ Composite mit fast 38 %. Letztere beiden Indizes haben zuletzt sogar neue Allzeithochs erreicht. Für den Dezember gehen Analysten von einem moderaten Anstieg der US-Leitindizes aus. Aber wie geht es weiter? Vor allem angesichts der im historischen Vergleich hohen Bewertungen.
Tatsache ist, dass die Kursgewinne heuer Großteils von Technologiewerten getragen wurden – auch wenn einige zuletzt eine Verschnaufpause eingelegt haben und Zykliker wieder in den Vordergrund gerückt sind. Sie haben seit der Finanzkrise – vor allem in der jüngeren Vergangenheit – ihre Marktkapitalisierungen drastisch erhöhen können und damit die Marktkonzentration weiter vorangetrieben.
So stammen etwa die aktuellen fünf Spitzenreiter im S& P 500 mit Apple, Microsoft, Amazon, Facebook und Alphabet allesamt aus dem Technologie-Universum.
Insgesamt zeichnen die Top-10-Firmen heute für fast 30 % des gesamten Wertes des S&P 500 verantwortlich. Damit einher gehen freilich Sorgen über die Abhängigkeit des breiten Marktes von der Performance nur einiger weniger dominanter Unternehmen. „Eine hohe Marktkonzentration ist nicht zwangsläufig ein Problem – sehr wohl aber dann, wenn sie von einer kleinen Zahl von Unternehmen getrieben wird, deren zunehmende Indexgewichtungen ausschließlich auf die Ausweitung der Bewertungsmultiplikatoren und nicht auf die Verbesserung von Cashflows oder Erträgen zurückzuführen sind“, so Taymour Tamaddon, er ist Portfolio Manager und USA-Spezialist bei T. Rowe Price.
Rückkehr zu normaleren Bewertungsniveaus
„Wir glauben, dass die Bewertungsmultiplikatoren von Growth-Benchmarks in den vergangenen Monaten Niveaus erreicht haben, die auf längere Sicht nicht nachhaltig sind“, so Tamaddon weiter. Früher oder später sollte es daher zu einer Rückkehr zu normaleren Bewertungsniveaus kommen. Bis dahin wären allerdings noch gute Wachstumsmöglichkeiten zu finden. Der Anlageerfolg werde dabei Großteils davon abhängen, ob man bezüglich der Index-Schwergewichte die richtigen Entscheidungen trifft. Die große Frage ist daher, ob die in den vergangenen fünf bis zehn Jahren stark gewachsenen Large Caps den Markt auch in den kommenden fünf bis zehn Jahren treiben können.
Nach Ansicht von Tamaddon sollten Google und Facebook ihre Marktanteile weiter ausbauen und über gezielte Werbung für ihre Kunden Wert generieren können. Potenzielle Veränderungen des regulatorischen Umfelds – wie etwa in Europa – wären in dieser Einschätzung allerdings nicht berücksichtigt worden.
Sich immer wieder neu erfinden
Amazon hat für den Portfoliomanager jedenfalls schon bewiesen, dass es sich neu erfinden und neue Wachstumsfelder finden kann. „Wir glauben, dass die vielfältigen logistischen Fähigkeiten des Unternehmens ein bedeutender langfristiger Wachstumstreiber sein können. Zusätzlich könnte auch das Anzeigengeschäft, das im Vergleich zu jenem von Google und Facebook noch sehr klein ist, weiterwachsen“, meint er im Gespräch mit dem Börsen-Kurier. Das weitere Marktanteilwachstumspotenzial von Apple als Hardware-Unternehmen in der Mobiltelefon-Industrie sei dagegen begrenzt. „Um auch im kommenden Jahrzehnt weiterhin so erfolgreich zu sein wie in der Vergangenheit, müsste ein neues Produkt bzw. eine Dienstleistung entwickelt oder ein neues Geschäftsfeld eröffnet werden“, so Tamaddon.
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