Zukunftsmodell Grundeinkommen?

Die Diskussion über die „finanzielle Hängematte“ für alle ist im Zuge der Pandemie wieder aufgeflammt.

Michael Kordovsky. In den USA lebten bereits vor Corona 38 Mio Einwohner von Lebensmittelmarken. Hintergrund: In den USA ist die Sozialhilfe auf fünf Jahre im Leben beschränkt. Danach gibt es nur noch Lebensmittelgutscheine. Und die Zahl der Sozialfälle wird steigen: Alleine seit Beginn der Corona-Krise gingen in den USA ca. 10 Mio Arbeitsplätze verloren, während das Vermögen der 643 reichsten Milliardäre der USA im Zeitraum von 18. März bis 15. September um 845 Mrd USD von 2,95 auf 3,8 Bio USD wuchs. Die Forbes-Liste wird angeführt von Amazon-Gründer Jeff Bezos mit 186,2 Mrd USD. Laut einer Studie von Oxfam besaßen bereits im zweiten Quartal 2019 die damals weltweit 2.153 Milliardäre so viel wie die ärmsten 60 % der Weltbevölkerung (also 4,6 Mrd Personen, Vermögen zusammen 8,7 Bio USD!). Da wird der Ruf nach Umverteilung durch Vermögenssteuern zur Finanzierung eines bedingungslosen Grundeinkommens laut.

Wie realistisch wäre eine Umsetzung?
Nehmen wir nur einmal Österreich als ein Rechenbeispiel her, das trotz gewisser Unschärfen eine schematische Überprüfung der Machbarkeit zum Ziel hat. Ausgangssituation: Jeder Einwohner ab 20 Jahren würde – unabhängig vom sonstigen Einkommen – monatlich 1. 200 plus 120 € Kranken- und Unfallversicherung, also ins-gesamt 1.320 Euro bekommen. Dafür gibt es kein Arbeitslosengeld oder keinen Notstand mehr und auch mit der Pension würde dieser Betrag gegengerechnet.

Insgesamt waren zu Jahresbeginn 7,18 Mio Einwohner mindestens 20 Jahre alt. Würde davon jeder den genannten Betrag erhalten, wäre dies für den Staat ein Aufwand von 113,73 Mrd Euro pro Jahr bzw. 28,6 % des BIP im Jahr 2019. Nehmen wir an, von Pensionsleistungen in Höhe von rund 33 Mrd Euro können 24 Mrd Euro mit

dem Grundeinkommen deckungsgleich sein. Gleichzeitig liegen laut AMS-Ausgabenübersicht die Aufwendungen für Arbeitslosengeld und Notstandshilfe 2019 bei insgesamt ca. 3,4 Mrd Euro. Zieht man diese Beträge von 113,73 Mrd Euro ab, dann bleibt noch immer eine Finanzierungslücke von 86,33 Mrd Euro jährlich.

Dem stehen gemäß Budgetbericht 2020 lediglich Einnahmen aus Lohnsteuer von 29,5 Mrd Euro und aus Umsatzsteuern von 30,6 Mrd Euro gegenüber, während noch 9,4 Mrd Euro aus der Körperschaftssteuer stammen. Das wären zusammen bereits gut drei Viertel aller Einnahmen aus Abgaben. Selbst wenn man die Umsatzsteuersätze um ein Zehntel anheben würde und Lohn- und Körperschaftssteuereinahmen so gestalten würde, dass sie um ein Viertel steigen, würde sich die

Gesamtsumme lediglich auf maximal 12,67 Mrd Euro belaufen und es bliebe eine enorme Lücke von 73,66 Mrd Euro. Als Ausweg bleibt noch die Vermögensbesteuerung.

Vermögenssteuer als Ausweg?
2019 gingen bezüglich Vermögensverteilung in Österreich folgende Zahlen durch die Medien: Laut Forschungsinstitut für die Gesamtanalyse der Wirtschaft (ICAE) an der Johannes Kepler Universität Linz lagen die Nettovermögen (Gesamtvermögen minus Schulden) bei insgesamt 1.137 Mrd Euro. Das reichste Prozent (1 %) besitzt davon 40,5 %, während die untere Hälfte der Österreicher nur auf 2,5 % dieses Nettovermögens kommt (Quelle: Kontrast.at, 2. Oktober 2019). Würde alleine das reichste Perzentil eine jährliche Vermögenssteuer von 3 % bezahlen, so würde alleine dieses Vermögenssteueraufkommen jährlich 13,81 Mrd Euro betragen. Zahlt der Rest noch im Schnitt auf die Gesamtsumme 1,5 %, wären es insgesamt 23,96 Mrd Euro, also knapp 24 Mrd Euro.

Mit Maßnahmen, die im Rahmen einer sozialen Marktwirtschaft noch durchsetzbar wären, könnten also alleine in Österreich jährlich 36,67 Mrd Euro (9,2 % des BIP 2019) aufgebracht werden. Allerdings wären dies nur 42,5 % der Finanzierungslücke. Um wirklich die Hardcore-Version eines bedingungslosen Pro-Kopf-Einkommens von 1.320 Euro pro Monat für alle Einwohner ab 20 umsetzen zu können müssten dermaßen drastische Umverteilungsmaßnahmen ergriffen werden, die selbst mit sozialer Marktwirtschaft nicht mehr viel zu tun hätten.

Alternative: Arbeitsfreie Zeitabschnitte finanzieren
Bedingt durch die Digitalisierung ist die Welt im Umbruch und die meisten werden in ihrem Arbeitsleben mehrere unterschiedliche Berufe erlernen (müssen). Anstatt mit dem Gießkannenprinzip zu versuchen, die gesamte Bevölkerung in eine soziale Hängematte zu betten, wäre es besser, jeden Einwohner 10 bis 15 arbeitsfreie Jahre („Jahreskontingent“) seiner persönlichen Wahl zu ermöglichen, die für Bildung und/oder Reisen genützt werden können. In dieser Zeit gibt es dann beispielsweise monatlich 1.200 bis 1.500 Euro (inkl. Krankenversicherung). Dafür beschränken sich dann Sozialhilfen nur noch auf wenige Ausnahmen und wer arbeitslos ist, kann das „Jahreskontingent“ als „Joker“ ziehen. Denn bei all diesen „Geldern ohne Arbeit“ besteht die Gefahr, dass sich die Empfänger zu sehr daran gewöhnen und darauf vergessen, eines Tages wieder einer geregelten Tätigkeit nachzugehen. Das ist erwiesenermaßen die Natur des Menschen, weshalb sich generell in dieser Debatte die Frage stellt: „Wie sehr soll Faulheit belohnt und Fleiß bestraft werden?“ denn die Finanzierung derartiger sozialer Absicherungskonzepte muss letztendlich immer jemand bezahlen, der dieses Geld verdient und häufig auch hart dafür arbeitet.

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