Menschen reagieren auf Förderungen

Zukunftsvorsorge: Eine ursprünglich gute Idee wiederbeleben und verbessern.

Manfred Kainz. Es ist ein Dauerbrenner auf den Vorsorge-Spezial-Seiten des Börsen-Kurier, in den einschlägigen Branchen und in der Sozialpolitik: Wie kann man die dritte Säule der Altersfinanzierung, die private Eigenvorsorge, ankurbeln? Ansetzen könne man schon davor, meint der Pensionsexperte des Wirtschaftsforschungsinstitutes (Wifo) Thomas Url gegenüber dem Börsen-Kurier: Aus wirtschaftspolitischer Sicht erscheint die altersgerechte Gestaltung der Arbeitsbedingungen für ältere Erwerbstätige (55 bis 65 Jahre) als ein vielversprechendes Instrument mit mehrfachem Nutzen, meint der Senior Economist. Sie könnte den Andrang zur vorzeitigen Pensionierung drosseln, erzeugt gleichzeitig Beitragseinnahmen und deckt die hohe Nachfrage nach Fachkräften. Und zur Ausgabeneinsparung sollte die reguläre Pensionsanpassung kurz- bis mittelfristig strikt an der Inflationsrate ausgerichtet werden. Langfristig müsse sich Österreich fragen, ob die Konzentration des Pensionssystems auf das Umlageverfahren in Kombination mit hohen Einkommensersatzraten für mehr als 90 % der Erwerbstätigen sozialpolitisch sinnvoll ist.

Unterschätze Zukunft
Der schwache Umfang betrieblicher und privater Altersvorsorge stelle auch für die Vorsorge via Kapitalmarkt einen Hemmschuh dar. Da könne man auf verhaltensökonomische Erkenntnisse zurückgreifen und positive Erfahrungen aus der Vergangenheit anwenden, meint der Wifo-Mann. Eine budgetäre Vorinvestition in eine staatliche Verdopplung der Förderung für private Zukunftsvorsorge würde sich rentieren, wenn man gleichzeitig das jetzige Gesamtkonstrukt der Produkte verbessert, schlägt er vor. Dass die Österreicher bei der dritten, privaten Säule so zurückhaltend sind, lasse sich mit Erkenntnissen aus der Behavioral Finance, die sich mit dem – nichtrationalen – menschlichen Verhalten in wirtschaftlich-finanziellen Dingen beschäftigt, begründen. Der Senior Economist verweist darauf, dass Menschen „die Zukunft zu niedrig bewerten“. Das heißt, dass sie lieber in der

Gegenwart konsumieren, als Konsum auf später zu verschieben, also für einen künftigen finanziellen Polster Geld auf die Seite zu legen. Die Denke „Lieber heute den Spatz in der Hand als später eine Taube auf dem Dach“, macht es uns Menschen schwer, heute für über-über-morgen auf Konsum zu verzichten.

Großzügiger KHG
Die Frage ist also: Wie kann man dem entgegenwirken? Wifo-Experte Url rät, auf positive Erfahrungen zurückzugreifen. Das ursprüngliche Instrument der staatlichen Förderung in der Prämienbegünstigten Zukunftsvorsorge (PZV) „hat enorm gut funktioniert“. Die „alte“ Förderung (9,5 % ab 2003) „war schon sehr stark“, auch die 8,5 % später „haben gezogen“. Als die Förderung zusammengestutzt wurde (von 8,5 auf 4,25 % halbiert in 2012), habe das Instrument an Dynamik verloren. Aus der Erfahrung könne man lernen, dass Privathaushalte stark auf spürbare Förderungen reagieren und durch-aus bereit sind, langfristig gebundene Ansparformen einzugehen.

Die zweite Lehre, so der Wirtschaftsforscher, ist, dass „Kapitalgarantien kosten, und daher Vorsorgeprodukte mit so einer Garantie ertragsmäßig unattraktiv machen“. Und dritte Lehre daraus: Das „Gespann“ aus teurer Garantie und verpflichtender 40 %iger Veranlagungsquote am Austro-Kapitalmarkt (um diesen zu fördern, aber mit entsprechender Volatilität als limitierter Markt), hat sich als „nicht sinnvoll erwiesen“.

Was man aus den Lehren ableiten kann, ist, so Url:

  1. Keine verpflichtende Kapitalgarantie oder Mindestertragsgarantie für PZV-Produkte – das spart Kosten, die sonst die Rendite beschneiden.
  2. Kein Mindestanlagevolumen in einem Markt vorgeben (auch nicht auf dem österreichischen), sondern ein breites Portfolio (z.B. MSCI World) erlauben.
  3. Als interessante „ordentliche“ Förderung die staatliche Prämie „vorne“ wieder auf ursprüngliches Niveau verdoppeln.
  4. Die Ansparphase KESt-frei, wie jetzt, belassen.
  5. Aber dafür die Auszahlungsphase voll besteuern (die jetzt steuerfrei ist). Denn auch das „Steuerzahlen erst in Zukunft“ wird von den Menschen verhaltensökonomisch „niedriger bewertet“ und daher mental eher vernachlässigt.

Budgetär wäre dieses System durch die nachgelagerte Besteuerung nahezu aufkommensneutral und in Summe günstiger als das jetzt angewendete, in dem in den – vielen – Auszahlungsjahren dem Staat keine Steuern hereinkommen.

Einfrieren
Eine Begleitmaßnahme nennt der Wifo-Economist noch, „wenn man Dynamik in die dritte Säule bringen will“: Nämlich „Einfrieren“ der Höchstbeitragsgrundlage im Umlagesystem. Damit wird für Gutverdiener und Menschen mit steigendem Einkommensverlauf und 40-jährigem Durchrechnungszeitraum das „zukünftige Leistungsversprechen“ geringer. Wenn sie sehen, dass später aus der ersten Säule nicht viel herauskommt, haben sie eher als jetzt einen Anreiz, kapitalgedeckt privat vorzusorgen, um den Einkommensrückgang zum Pensionsantritt zu kompensieren. Denn jetzt ist für Einkommen unter der Höchstbeitragsgrundlage – mit durchschnittlich 80 % Bruttoersatzrate im Umlagesystem – wenig attraktiv, zusätzliche Vorsorge via Kapitalmarkt zu machen. Das zeigt die Praxis.

Foto: AdobeStock / K.-U. Häßler