Aufschwung mit letzten Hindernissen
Die Industrie zeigt sich per Saldo als Konjunkturlokomotive und es herrscht positive Stimmung.
Michael Kordovsky. In einer Online-Pressekonferenz präsentierten Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV) und IV-Chefökonom Christian Helmenstein die Ergebnisse der jüngsten IV-Konjunkturumfrage. Die Quintessenz: Bei den vorherrschenden internationalen Rahmenbedingungen sollte vor allem die heimische Industrie einen kräftigen Aufschwung anführen, vorausgesetzt die Impfstrategie schreitet weiter voran bzw. es gelingt nachhaltig die Implementierung einer effektiven Test-, Tracing- und Impfstrategie. Doch genau die mit dieser Thematik zusammenhängenden Unsicherheiten trüben die Einschätzung auf Sicht von sechs Monaten, während ansonsten eine positive Grundstimmung vorherrscht. Das IV-Konjunkturbarometer, welches als Mittelwert aus den Beurteilungen der gegenwärtigen Geschäftslage und der Geschäftslage in sechs Monaten bestimmt wird, büßt rund 6 Punkte ein und sinkt vom 20. Dezember 2020 bis 21. März 2021 von 26,2 auf 19,4 Punkte. Während infolge von internationaler Konjunkturerholung und Impulsen aus der Investitionsprämie in Österreich sich in diesem Zeitraum bei den 411 befragten Industrieunternehmen die Einschätzung der aktuellen Lage von 26 auf 52 Punkte verbesserte, verschlechterte sich die Einschätzung von Geschäftslage und Ertragssituation in sechs Monaten. Das sind aber laut Einschätzung des Börsen-Kurier-Autors nur temporäre „Nebengeräusche“.
Guter Konjunkturrahmen für Exporte
Wesentlich ist die verbesserte Auftragslage: Nachdem der IWF im laufenden Jahr – getragen von den Konjunkturimpulsen aus China und den USA – mit 6 % das stärkste weltweite Wachstum der vergangenen 50 Jahre erwartet, sieht es vor allem bei den Exporten erfreulich aus: Der Indikator der Auslandsaufträge hat sich gegenüber der vorangegangenen IV-Konjunkturbefragung von 28 auf 46 Punkte verbessert. Gleichzeitig stieg der Indikator der Auftragsbestände von 29 auf 54 Punkte, was sich offensichtlich positiv auf die Einschätzung des Beschäftigtenstandes in drei Monaten auswirkt. Die Anzahl der Befragten, die noch von einem Personalabbau ausgehen, schrumpfte von 21 auf 6 %, während 33 % (zuvor 18 %) den Personalstand aufzustocken gedenken. Allerdings bleibt der Facharbeitermangel ein Dauerthema – und dies trotz hoher Arbeitslosigkeit auf der anderen Seite. Somit regt die IV die Idee einer Fachkräfteagentur an, die die mittel- und langfristige Fachkräfteentwicklung in Österreich steuert.
Inflationsschub
Knapp werden mittlerweile auch die Rohstoffe, was zu steigenden Inflationserwartungen führt. Laut Helmenstein haben die Preise wichtiger Industrie-Rohstoffe wie Kupfer oder Eisen bereits Hochkonjunkturniveau erreicht. Allerdings dürfte auch die Pricing-Power der Unternehmen stimmen, denn: Bei den erzielbaren Verkaufspreisen rechnet ein immer größerer Anteil der Befragten mit einem Aufwärtstrend (Saldo +25 nach +7). „Hier spiegelt sich einerseits die starke globale Nachfrage nach bestimmten Industrieprodukten, beispiels-weise Halbleitern, wider, anderer-seits sehen sich weite Teile der Wirtschaft mit der Notwendigkeit konfrontiert, die stark gestiegenen Rohstoffpreise an ihre Abnehmer auf den jeweiligen Verarbeitungsstufen weiterzugeben“, so die Schlussfolgerung der IV.
Industrie trägt Aufschwung
Die Einkaufsmanager-Indizes der vergangenen Monate zeigten es in Europa immer wieder. Einer robusten Industriekonjunktur steht ein schwächerer Dienstleistungssektor gegenüber. Letzteres ist schlichtweg Folge der Corona-Maßnahmen. Wie stark die heimische Industrie dasteht, bringt Helmenstein wie folgt auf den Punkt: „Zum ersten Mal in der Neuzeit trifft eine konjunkturelle Großkrise nicht primär die Industrie, sondern vor allem den Dienstleistungssektor.“ Während Österreichs Industrie im ersten Quartal 2021 das Prä-Covid-Produktionsniveau nachhaltig überschritten haben dürfte, wird die gesamte Volkswirtschaft aus heutiger Sicht mindestens fünf Quartale länger benötigen. Doch der Konjunkturverlauf innerhalb des Industriesektors ist nicht homogen und so steht beispiels-weise einer kräftigen Erholung der Fahrzugindustrie und der chemischen Industrie eine stärkere negative Corona-Exposure der Luftfahrtzulieferer und Brauereien gegenüber. Doch mit zunehmender Normalisierung der Lage sollte der aktuelle Aufschwung auch diese Bereiche und den Dienstleistungssektor erfassen.
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