250 Jahre Wiener Börse

Ein Rundgang mit dem Historiker Peter Eigner und Börse-Chef Christoph Boschan. (Am Bild v.l.n.r.: Börsen-Kurier-Redakteur Tibor Pásztory mit Börse-Chef Christoph Boschan und Christian Drastil auf der Spurensuche)

Tibor Pásztory. Um den österreichischen Staatshaushalt stand es im 17. und 18. Jahrhundert nach den Türkenkriegen und dem Verlust Schlesiens nicht zum Besten. Nach dem Siebenjährigen Krieg (1756 bis 1763), der eigentlich schon ein Weltkrieg war, da er in Europa, Nordamerika, Indien und der Karibik ausgetragen wurde, erwies sich der Staatshaushalt als völlig zerrüttet. Schon zuvor gab es in reichen Gegenden Europas ein frühes Börsenwesen, in Österreich hatte der Wertpapierhandel noch ziemlichen Hinterzimmercharakter, das Vertrauen in Staatspapiere war dementsprechend enden wollend.

Diesem Missstand machte Kaiserin Marie-Theresia entschlossen ein Ende. Als Frau des Kaisers Franz Stephan von Lothringen war sie sozusagen „Frau Kaiser“, aber nicht Kaiserin des Heiligen Römischen Reichs, und übte ihre zweifellos große politische Macht in ihrer Funktion als Monarchin der Habsburgischen Erblande aus. Bereits 1761, also noch während des Krieges, erteilte sie ein Patent (also eine Genehmigung) zur Gründung einer Börse in Wien, die dann 1771 zunächst am Standort Kohlmarkt 12 erfolgte. Geschäftsgegenstand war eine staatliche Kapitalaufbringung nach französischem Vorbild, wobei damals noch nicht der Aktienhandel, sondern Anleihen, Wechsel und Devisen im Fokus standen. Dies geschah jedoch bereits durch Börsenmakler.

Nach zwei Umzügen (Bauernmarkt 2-4 und Weihburggasse 4) wurde 1818 die erste Aktiengesellschaft gelistet. Man mag es heute nicht glauben, aber es handelte sich um die Oesterreichische Nationalbank. Als „Celebrity“ und einer der ersten Privataktionäre fungierte Ludwig van Beethoven (eine ähnliche Rolle hatte übrigens der niederländische Maler Rembrandt zwei Jahrhunderte zuvor im Tulpenhype übernommen, aber das ist eine andere Geschichte). Die Wirtschaft im 1804 gegründeten eigenständigen Kaisertum Österreich erholte sich indes vor dem Hintergrund der beginnenden Industrialisierung und entsprechenden Investitionen in die Infrastruktur, sodass mehr und mehr Unternehmen aus der Transportbranche den Kapitalmarkt nutzten.

Wandel und erster Crash
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfolgte geradezu explosionsartig der Wandel von der alten zur modernen Welt. Als das Symbol schlechthin für diese Ära gilt der Bau der Wiener Ringstraße. Die Wiener Börse trug dieser Entwicklung, von Umzügen (Minoritenplatz 3, Herrengasse 14) abgesehen, durch Schaffung des Börsegesetzes und Gründung der Börsekammer Rechnung. Nun fanden sich auch Bank-, Eisenbahn- und Industrieaktien auf dem Kurszettel. Vor allem zwischen 1867 und 1873 folgte in der umgegründeten Doppelmonarchie Österreich-Ungarn ein Börsengang auf den anderen. Die Porr AG und Wienerberger (beide seit 1869), UBM (1873) und Linz Textil (1890) sind die ältesten bis heute an der Wiener Börse notierten Unternehmen.

1873 erfolgte nach Überhitzung des Marktes und zahlreichen unsoliden Spekulationen der erste Börsencrash, worauf der Kurszettel etwa die Hälfte aller gelisteten Aktiengesellschaften verlor. Ein neues und moderneres Börsegesetz war 1875 die Folge – es galt bis 1989! Seit 1877 residierte die Wiener Börse dabei im bekannten Börsegebäude am Schottenring. Nach zwei Weltkriegen, Auflösung des k.u.k Wirtschaftsraums, Anschlusszeit und Verstaatlichung der Industrie in der Zeit des Wiederaufbaus verlor die Wiener Börse drastisch an Bedeutung und geriet unter zunehmenden Einfluss der Großbanken, bis 1985 die Privatisierungswelle startete, und Wien durch den US-Investor Jim Rogers wieder „wachgeküsst“ wurde, wie es damals hieß. Vor dem Hintergrund der Ostöffnung wurde 1991 der ATX eingeführt, 1997 erfolgte die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft und der Umzug in den heutigen Sitz Wallnerstraße 8. Im Jahr 1999 wurde Xetra eingeführt, 2002 der Prime Market. IT-Dienstleistungen werden heute auch dem Partnernetzwerk in den k.u.k Nachfolgestaaten angeboten, womit sich der historische Kreis in gewissem Sinne wieder schließt.

Foto: Wiener Börse / foto-agent.at