Der Corona-Effekt am Arbeitsmarkt

Konjunkturelle Erholung täuscht über strukturelle Arbeitslosigkeit hinweg.

Michael Kordovsky. Die Corona-Krise hat in den USA und Europa die Arbeitsmärkte nachhaltig geprägt. Den von Lockdowns besonders hart getroffenen Branchen Gastronomie und Hotellerie kehren trotz schrittweiser Normalisierung immer mehr ehemalige Mitarbeiter den Rücken. Sie sind häufig in besser bezahlte Branchen abgewandert. Gleichzeitig beschleunigte sich die Digitalisierung bzw. Büro- und Produktionsautomatisierung, der immer mehr Arbeitsplätze zum Opfer fallen.

Eine kleinere Gruppe hingegen hat erstmals die Vorzüge der „sozialen Hängematte“ entdeckt und dies infolge höherer temporärer Arbeitslosenunterstützung sogar in den USA. Für expandierende Unternehmen wird es somit zunehmend schwieriger, gute qualifizierte Mitarbeiter zur üblichen Bezahlung zu gewinnen.

Spürbare Langzeitarbeitslosigkeit in den USA
Der Trend bei der Arbeitslosigkeit geht hin zu einer höheren Langzeitarbeitslosigkeit, während die aktuellen Zahlen neu geschaffener Stellen nicht darüber hinwegtäuschen sollten, dass das Beschäftigungsniveau noch unter dem Level vor der Corona-Krise liegt. Es ist positiv, wenn sich die Wirtschaft erholt und beispielsweise in den USA von Mai auf Juni außerhalb des Agrarsektors 850.000 neue Stellen geschaffen wurden. Aber das Ganze relativiert sich bei folgender Betrachtung: Obwohl im gesamten Beherbergungs- und Freizeitbereich insgesamt 343.000 neue Stellen entstanden, liegt der Beschäftigtenstand mit 2,2 Mio Stellen noch immer 12,9 % unter dem Level von Feber 2020.

Per Saldo stieg von Mai auf Juni 2021 die US-Arbeitslosenquote von 5,8 auf 5,9 %. Insgesamt waren 9,5 Mio Einwohner arbeitslos verglichen mit 5,7 Mio (3,5 %) vor Corona. Von der „arbeitsfähigen“ Bevölkerung waren 61,6 % entweder beschäftigt oder auf der Suche nach einem Job (Erwerbsbeteiligungsquote). Das sind 1,7 %-Punkte weniger als im Feber 2020. Offensichtlich macht sich Resignation breit bzw. viele nützten auch die vorübergehenden Sozialprogramme. Während im Feber 2020 noch 61,1 % der arbeitsfähigen Bevölkerung einen Job hatten, waren es im Juni nur noch 58 %. Immer mehr US-Amerikaner müssen sich mit Teilzeitjobs begnügen und die strukturelle Arbeitslosigkeit steigt.

Das zeigt sich darin, dass im Juni die Zahl der Langzeitarbeitslosen (länger als 27 Wochen) um 233.000 auf 4 Mio anstieg. Das sind 42,1 % aller Arbeitslosen im Juni. Dies dämpft auch die Lohninflation. In der Privatwirtschaft stiegen die durchschnittlichen Stundenlöhne nur um 3,6 %. Die Inflationsrate im Mai lag aber bei 5 %!

Europa: Kurzarbeit federt Massenarbeitslosigkeit ab
In der Eurozone haben indessen im ersten Moment die Kurzarbeitsprogramme einen so starken Anstieg der Arbeitslosigkeit wie in den USA (Peak von 14,8 % im April 2020; ziviler Bereich) verhindert. Von März 2020 bis Juli 2020 stieg sie von 7,1 auf 8,7 %, um dann bis Mai 2021 wieder auf 7,9 % zurückzugehen.

Die Erwerbstätigenquote hielt sich auf hohem Niveau. Von 2019 auf 2020 ging sie im Euroraum lediglich von 72,7 auf 71,8 % zurück. Allerdings liegt die Arbeitslosenquote im Mai 2021 noch um 0,4 %-Punkte über dem Niveau von vor zwölf Monaten. In Zahlen ausgedrückt stieg sie von 11,989 auf 12,792 Mio Einwohner. Nach wie vor besonders hoch ist die Jugendarbeitslosigkeit unter 25 Jahre mit 17,5 %, obwohl sie gegenüber dem Vormonat um 0,9 %-Punkte abnahm. Eine Erklärung liegt darin, dass der Gastronomiebereich, der primär junge Kräfte einstellt, wieder hochfährt und Personal benötigt.

Das-Nord-Süd-Gefälle in der Arbeitslosenquote blieb nach wie vor erhalten. Die höchsten Arbeitslosenquoten wiesen im EU-Raum folgende Mitgliedsstaaten Die höchsten Arbeitslosenquoten wiesen im EU-Raum folgende Mitgliedsstaaten auf: Griechenland (15,4 %), Spanien (15,3 %) und Italien (10,5 %), die niedrigsten hingegen: Tschechien und die Niederlande (je 3,3 %) gefolgt von Malta und Deutschland (je 3,7 %) sowie Polen (3,8 %).

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