Investieren abseits der „New Economy“

Europa und Japan gelten zu Unrecht als verstaubt. Ein genauer Blick offenbart zahlreiche Chancen.

Raja Korinek. Noch scheint die weltweite Aktienrallye nicht enden zu wollen. Vor allem in den USA legten die Börsenbarometer seit dem Crash vom März 2020 kräftig zu. Und das ist auch verständlich, wenn man bedenkt, dass jenseits des Atlantiks jede Menge große Technologiekonzerne notiert sind. Sie profitierten vor allem während der zahlreichen Lockdowns vom Online-Konsum und der wachsenden Digitalisierung in vielen Bereichen, etwa in der virtuellen Bildung und im Home-Office.

Doch damit sind im internationalen Vergleich US-Aktien auch am teuersten bewertet. Das geschätzte Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) für die kommenden zwölf Monate liegt beim S&P 500 bei 22,5. Da sind innerhalb der entwickelten Märkte die Börsen in Europa und in Japan durchwegs günstiger bewertet. Allein für den Euro Stoxx 50 liegt das KGV bei 19,1 und für den Topix bei 16,1.

Langfristiges Wachstum als Kriterium
Bei der französischen Fondsboutique Comgest weiß man das Potential in letzteren zwei Regionen zu nutzen. Franz Weis, Co-Geschäftsführer und Fondsmanager des „Comgest Growth Europe Opportunities“ (ISIN: IE00B4ZJ4188) verweist auf seinen Ansatz und meint, die Unternehmen sollten im Durchschnitt längerfristig ein jährliches Gewinnwachstum von rund 10 bis 15 % erzielen können. Das Wachstum sollte dabei aber nicht auf Pump geschehen, die Bilanzen werden von Weis und seinem Team deshalb genau durchleuchtet.

Freilich, erzielen lässt sich solch ein stetiger Zuwachs grundsätzlich nur mit soliden – und einzigartigen – Geschäftsmodellen, die im aktuellen Umfeld vermutlich noch mehr gefordert sein dürften. Der Grund liegt in den wirtschaftlichen Entwicklungen. Denn die Inflation, sowie die langfristigen Renditen, legen auch in Europa zu. Dieser Umstand trifft etwa jene Unternehmen, bei denen Anleger erst in Zukunft solide Gewinne erwarten, besonders hart. Dazu zählen etwa junge Wachstumsaktien. Doch auch Unternehmen, die beispiels-weise hohe Rohstoffkosten haben, die sie nicht an Kunden weitergeben können, geraten im aktuellen Umfeld unter Druck. „Solche Probleme sehen wir bei unseren Titeln aber nicht“, betont Weis und verweist in diesem Zusammenhang auch auf die hohen Cashflows seiner Unternehmen.

Licht und Schatten der Pandemie
Dennoch haben sich die Investments im Comgest-Fonds in den vergangenen Monaten unterschiedlich entwickelt. Manch ein Unternehmen habe von der Corona-Pandemie sogar profitiert. Ein solcher Titel ist etwa ASML (NL00 10273215), der die größte Position im Fonds einnimmt. Der niederländische Konzern stellt Lithographiesysteme her, wobei die Maschinen für die Halbleiterproduktion gebraucht werden. „Das Unternehmen hat praktisch ein Monopol in diesem Bereich“, zeigt Weis auf. Er verweist auch auf die Ergebnisse im 1. Quartal 2021. Sie hätten die Erwartungen übertroffen. Wichtige langfristige Treiber seien etwa der Ausbau von 5G und der künstlichen Intelligenz.

Demgegenüber hätte die ungarische Billigfluglinie Wizz Air (JE00 BN574F90) die Pandemie schmerzhaft zu spüren bekommen. „Kapazität und Auslastung erholten sich aufgrund der anhaltenden Beschränkungen und neuer Virusvarianten nur langsam.“ Und wie sieht es mit den jüngsten Käufen aus? Dazu zählt etwa Biontech (US09075V1026). Derzeit profitiere der Konzern vom Verkauf des mRNA-Impfstoffes. „Mit diesen Mitteln kann die breite Pipeline in andere Therapiegebiete, insbe-sondere in der Krebsforschung, beschleunigt werden.“ Überhaupt nimmt der Gesundheitssektor mit fast 25 % die größte Gewichtung im Fonds ein, gefolgt von der IT-Branche (22,2 %) und dem zyklischen Konsum (19,6 %).

Zu letzteren Bereich zählt etwa LVMH (FR0000121014). Weis meint, der Konzern glänzte im ersten Quartal 2021 erneut mit einem starken Wachstumsprofil, wobei allein das organische Wachstum bei 30 % lag. „Auch wenn einige Bereiche im Einzelhandels- und Parfüm-Segment unter dem Niveau von 2019 lagen, erzielte die Mode- und Ledersparte eine herausragende Performance.“

Weshalb schreckt Japan ab?
Auch Richard Kaye selektiert seine Titel sorgfältig – allerdings in Japan. Er ist Fondsmanager des „Comgest Growth Japan Fonds“ (IE0004767087). Kaye geht dabei auf die jüngst schwächere Entwicklung des japanischen Aktienmarktes ein und führt dies vor allem auf das zurückhaltende Interesse vieler Großanleger zurück. Denn das Land hinkte bei der Impfrate vielen anderen Region hinten nach, die Sorge über die Auswirkungen auf die Wirtschaft war damit groß. Doch das ändere sich gerade, „das Land hat die tägliche Zahl der Impfungen stark beschleunigt“, sagt Kaye.

Dennoch rät Kaye Anlegern bei einem Japan-Investment selektiv vorzugehen. „Es gibt zahlreiche wenig profitable Großkonzerne, etwa aus dem Banken- oder Chemiesektor.“ Er setzt stattdessen auf ein sorgfältiges Stockpicking, zumal Nippons Aktien kaum analysiert würden. Das biete gute Chancen auf unentdeckte Perlen zu stoßen.

Weltkonzerne im Fokus
Kaye setzt mit seinem Fonds dabei zu mehr als 50 % auf Unternehmen, die globale „Player“ sind, wie er sagt. „Die Innovationskraft vieler dieser Konzerne wird an der Börse oftmals unterschätzt.“ Dabei seien zahlreiche solcher „Player“ allein in China erfolgreich unterwegs. Als Beispiel verweist er auf die Bekleidung der Modekette Uniqlo (JP38 02300008), die im Reich der Mitte sehr begehrt sei. Industrierobotik-Spezialisten wie Fanuc (JP38024 00006) und Keyence (JP323620 0006) profitieren wiederum von der starken Nachfrage nach Industrieautomatisierung in Asien.

Doch auch in Japan gibt es Veränderungen. „Junge Menschen wollen mehr Freizeit genießen. Und die Bevölkerung wird immer älter“, erklärt der Comgest-Experte. Auch diese Entwicklungen böten Chancen. Asahi Intecc (JP3110650003) produziert und vertreibt Medizin- und Industrieprodukte, zu denen beispielsweise Mikrokatheter zählen. Der Personalvermittler Recruit Holdings (JP3970300004) ist ebenfalls Teil des Fonds. Insge-samt machen zyklische Konsumgüter mit rund 23 % den größten Anteil aus, gefolgt von Industrie- und Gesundheitstiteln.

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