Der Durchmarsch des britischen Pfund

Die Währung des Königreichs zeigt gegenüber dem Euro Muskeln.

Roman Steinbauer. Die langen Jahre einer latent schwachen Briten-Devise haben ein Ende gefunden. Ein seit Feber verlaufender Aufwärtstrend des Pfunds leitete die Trendwende ein, erst schwache Einzelhandelszahlen (legten im Juli auf Jahresbasis unter Erwartungen um 2,4 % zu) führten in der Vorwoche zu einem Rücksetzer der Devise. Ein Blick auf historische Extremwerte des EUR/GBP-Paares zeigt auf: Mussten im Jänner 2009 0,97 GBP für die Gemeinschaftswährung aufgebracht werden, waren es mit Jahresbeginn 2001 bloß 0,58 GBP. Eine fiktive Linie der vergangenen beiden Dekaden bringt 0,75 GBP/EUR als Median-Marke ins Spiel. Da der Euro-Raum relativ inhomogen ist und die Peripherie wiederholt Potenzial für Krisen aufweist, kündigen sich temporär wesentlich stärkere Pfund-Notizen an. Langfristig stellt die ausgewogenere Alterspyramide der Angelsachsen einen Pluspunkt dar. Ist der Durchschnittsbrite erst 40,5 Jahre alt, hat ein Bewohner der Euro-Zone bereits 44,5 Jahre hinter sich.

Lichtblicke zur Handelsbilanz
Starke Signale lieferte das BIP Großbritanniens, das im 2. Quartal zur Periode 2020 um 22 % anzog. Dieser Auftrieb über den Erwartungen übertrifft die deutliche Erholung in Italien (17,7 %) und Deutschland (+9,5 %), allerdings hatte Berlin im Vorjahr einen weit milderen Einbruch zu verzeichnen. Die Industrieproduktion im Vereinigten Königreich prosperierte mit 6,6 %. Das über drei Jahrzehnte um ein Vierfaches ausgeuferte defizitäre britische Handelsbilanzdefizit deutet auf eine Wende hin. Nach Rekordwerten von -14,8 Mrd GBP (17,2 Mrd Euro) im Feber ermäßigte es sich im Juni auf 12 Mrd GBP (13,9 Mrd Euro). Entwarnung vorerst auch zur Inflation: Der Anstieg der Juli-Konsumentenpreise fiel mit 2,0 % geringer aus, als dies im Euroraum (2,2 %) und vor allem in den USA (4,3 %) zu beobachten ist. Mittelfristig könnte Preisdruck auf der Insel aber nicht nur durch höhere Rohstoff-, Logistik- und Importkosten drohen. Der Juni-Einkommensindex (inkl. Bonuszahlungen) zeigt mit +8,8 % eine Dynamik, die seit der Jahrtausendwende nicht mehr registriert wurde. Die Arbeitslosenrate verminderte sich auf 4,7 % nach 5,1 im Feber. Hier hinkt allerdings der Vergleich. Bei den Briten wird nur jene Rate der Erwerbsfähigen herangezogen, die während der vergangenen drei Monate aktiv Arbeit suchte.

Flexible Freihandelsabkommen im Alleingang
Unterdessen erscheint es nicht abwegig, dass Großbritanniens Wirtschaft mittelfristig ein höheres Wachstum als die des EU-Raums aufweist. Bereits vor dem EU-Austritt arbeitete London mit Indien und fernöstlichen Staaten an umfassenden Freihandelsabkommen. Jenes mit Indien dürfte bis Ende des Jahres unterschriftsreif sein. Die britische Handelsministerin Liz Truss und Indiens Premier Narenda Modi trafen zudem Investitionsabkommen. Noch weist der Handel mit dem Subkontinent mit 23 MrdGBP (26,7 Mrd Euro) weniger als 5 % im Verhältnis zur EU auf. Von Autos bis Whisky sollen Zölle aber nicht nur gesenkt, sondern möglichst beseitigt werden. Zudem werden seit Jahrzehnten sträflich vernachlässigte Beziehungen zu China aktiviert. Auch der befürchtete Exodus der Autoproduzenten fand nicht statt. Die Werke von Honda (Swindon), Nissan (Washington) und Stellantis (Opel-Vauxhall in Luton und Ellesmere) laufen unbeeinträchtigt.

Abgesehen von dem Umstand eines möglichen Tiefpunktes der globalen Leitzinsen und drohender Erosionen der Anleihenotizen wirken Schuldscheine des Königreichs vergleichsweise attraktiv. Bringen doch 10-jährige UK-Bonds zumindest eine Jahreszinsrendite von 0,53 % ein, während österreichische Bundesanleihen mit -0,3 % am Depotwert nagen.

Foto: Pixabay / GregMontani