(K)ein Land der Onlineversicherung?

Stimulus-Erwartungen und Auslandskäufe führen zu weiterem Aktienschub.

Emanuel Lampert. Wenn es um den Onlinevertrieb von Versicherungen geht, fällt einem gern als erstes Großbritannien ein. Dort hat sich das Internet als ein wesentlicher Verkaufskanal etabliert. Christopher Sandilands, sowohl Brite als auch Österreicher, ist Mitgründer von Oxbow Partners, einer auf Versicherungen spezialisierten Unternehmensberatung mit Sitz in London. Bei einem Experten zeichnete er nach, wie sich der englische Markt „massiv verändert“ hat.

1985 habe „Direct Line“ mit dem Verkauf via Callcenter den Auftakt gemacht. Zu Beginn der 2000er sei der Onlinevertrieb aufgekommen. Dessen Anteil am Neugeschäft in der Kfz-Versicherung sei von 2001 rund 10 % rasch auf 2005 rund 40 % gestiegen, danach aber wieder deutlich gesunken. Warum?

Siegeszug der Vergleichsportale
Sandilands Antwort: Preisvergleichsportale kamen auf und nahmen den Direktanbietern Marktanteile ab. Inzwischen nutzten 73 % der Versicherungsnehmer für Neuabschlüsse in der Kfz-Versicherung ein Portal, in der Haushaltsversicherung 59 %. Heute werde der englische Markt von vier großen Portalen dominiert.

Warum funktionieren Preisvergleichsplattformen in England so gut? Sandilands zeigte ein Diagramm, wonach knapp 40 % ihren jetzigen Kfz-Versicherungsanbieter wegen des „billigsten“, gut ein Viertel wegen des „billigeren“ Angebots gewählt haben, nur 15 % wegen der Konditionen.

England zeige, dass Disruption im Versicherungsmarkt stattfinden könne – und Österreich sei da kein Sonderfall, lautet seine Hypothese. Die Frage sei nicht, ob, sondern wie und wann Veränderung stattfindet. Dass die Kunden lieber das direkte Gespräch mit Beratern suchen, als online abzuschließen, glaubt Sandilands nicht. Er glaubt vielmehr: Sobald es ein entsprechend gutes Angebot gibt, werden es die Kunden nutzen. In anderen Industrien gebe es dafür viele Beispiele.

Kein Drang zum Onlinekauf
Derweil fristen Onlineversicherungsabschlüsse in Österreich allerdings ein Schattendasein. In bundesweiten Umfragen des Marktforschungsinstitutes Telemark Marketing, durchgeführt jeweils im ersten Quartal, gaben 2018 nur 7,1 % an, schon einmal online eine Versicherung abgeschlossen zu haben. 2019 waren es 7,8 % und 2020 7,9 %. Selbst in der Pandemie stieg der Anteil nur geringfügig auf 8,7 %.

Von den maklerversicherten Kunden können sich 19 % einen Onlineabschluss vorstellen, sagte Robert Sobotka, Geschäftsführer des Marktforschungsinstituts. Das Interesse hängt allerdings stark von der Sparte ab. Tendenziell bezieht es sich eher etwa auf Reise- oder Fahrradversicherungen, sehr viel weniger auf beratungsintensive Sparten wie Lebens-, Kranken- oder auch Eigenheimversicherung.

Sobotka betonte auch den Wert der persönlichen Beratung: „Es gibt schon einen Grund, warum man mit seinen Kunden mehr reden soll.“ Aus Untersuchungen zur Weiterempfehlungsbereitschaft gehe hervor, dass sie dort größer sei, wo Beratungsgespräche stattfinden.

Aus der Perspektive der Versicherungsmakler sagte Fachverbandsobmann Christoph Berghammer, gesetzliche Vorgaben wie der „Wunsch- und Bedürfnis-Test“ ließen sich wohl digital abbilden, „aber genau der letzte Punkt, der dann den Makler ausmacht, der geht digital nicht“. Der Makler sei nämlich zum „best advice“, zur Vermittlung des im Einzelfall bestmöglichen Versicherungsschutzes, verpflichtet. Für den Makler bedeute dies, mit dem Kunden das Gespräch zu führen.

Foto: Pixabay /Tumiso