Ein Drittel der Europäer ohne private Vorsorge

Menschen in Europa sind finanziell nur unzureichend auf ihre Pension vorbereitet.

Marius Perger. Ein gut funktionierendes, leistbares und nachhaltiges Pensionssystem ist einer der Eckpunkte einer modernen Gesellschaft, betont der Interessenverband der europäischen Versicherungen, Insurance Europe, in seiner jüngsten paneuropäischen Pensionserhebung. Die Pensionssysteme in Europa stehen aber vor großen Herausforderungen. Denn das Verhältnis zwischen den Über-65-Jährigen und jenen im erwerbsfähigen Alter von 20 bis 64 Jahren werde sich von 2019 bis 2080 verdoppeln, wie aus dem „2021 Ageing Report“ der Europäischen Kommission hervorgeht. Die Menschen seien zunehmend gefordert, selbst Verantwortung für ihr Einkommen im Alter zu übernehmen.

Versicherungen, die zu den wichtigsten Anbietern von Pensionsprodukten zählen, würde eine bedeutende Rolle dabei zukommen, die Pensionslücke zu schließen. Insurance Europe hat deshalb erhoben, wie sich die Europäer finanziell auf ihren Ruhestand vorbereiten und was sie tatsächlich von ihren Pensionen erwarten. In 16 europäischen Ländern wurden dafür knapp 17.000 Menschen zwischen 18 und 70 Jahren befragt, darunter 1.050 in Österreich. Das Ergebnis dieser repräsentativen Studie wurde Anfang Dezember präsentiert. Die Ergebnisse beziehen sich auf alle untersuchten Länder, Detailergebnisse für Österreich liegen nicht vor.

Pensionslücke bleibt
Mehr als ein Drittel der Befragten (38 %) gab an, überhaupt nicht zusätzlich für die Pension anzusparen. Zwar zu erwarten, aber dennoch auffällig ist, dass dieser Anteil bei Frauen (42 %), Alleinstehenden und Geschiedenen (43 bzw. 44 %) sowie Arbeitslosen (67 %) deutlich höher ist als der Durchschnitt. Auch Menschen mit niedrigerer und mittlerer Bildung legen seltener etwas für den Ruhestand zur Seite als jene mit einem hohen Bildungsniveau.

Von jenen, die nicht für den Ruhestand vorsorgen, geben 30 % als Grund an, dass sie es sich nicht leisten können. Dies hat sich durch die Corona-Pandemie noch verstärkt. So sagen 17 % der Studienteilnehmer, dass sie wegen Covid-19 ihre Beiträge reduziert, Einzahlungen verzögert oder ihre Pläne komplett aufgegeben hätten.

Ein weiterer Grund, nicht vorzusorgen, ist der Mangel an Informationen – jeder Siebente, der nicht vorsorgt, begründet dies damit.

11 % planen allerdings, mit einer zusätzlichen Vorsorge zu beginnen, während ein Viertel der Befragten nicht an einer privaten Vorsorge interessiert ist und immerhin 8 % keinen Bedarf sehen.

Was bei der privaten Vorsorge wichtig ist
Insurance Europe hat auch erhoben, welche Prioritäten die Europäer bei ihrer privaten Vorsorge haben – hier konnten bis zu drei Antworten gegeben werden. Dabei steht Sicherheit ganz oben: Ziemlich genau die Hälfte der Befragten bezeichnet sie als wichtig. Für rund ein Drittel ist die Stabilität des Anbieters von Bedeutung, jeweils knapp ein Viertel wünscht sich flexible Einzahlungsmöglichkeiten, steuerliche Erleichterungen und leistbare Beiträge. Weniger von Bedeutung sind die Nachhaltigkeit der Investments (für 10 % wichtig) und die Performance (für 14 % wichtig). Befragt, was wichtiger ist – Performance oder Sicherheit -, entscheiden sich 83 % der Europäer für die Sicherheit, unter Frauen sogar 88 %. Dabei gibt es in Europa allerdings große Unterschiede. Sicherheitsbewusster als Österreich – hier bevorzugen 86 % die Sicherheit – sind Griechen (89 %) sowie Italiener und Niederländer (je 88 %), während Schweden mit 27 % noch am stärksten der Perfomance den Vorzug geben.

Um die richtigen Entscheidungen treffen zu können, seien qualitativ hochwertige, passende Informationen wichtig, so Insurance Europe. Laut Studie stehen Kosten, Garantien, Deckungsumfang und Performance sowohl vor Vertragsabschluss als auch während der Vertragslaufzeit ganz oben auf der Wunschliste. Aber auch Kenntnisse über Risiken, Besteuerung und Auszahlungsvarianten sind von Bedeutung.

Schlussfolgerungen des Branchenverbandes
Die Versicherungen seien als wichtige Anbieter von Pensionsprodukten daran interessiert, mit den politischen Entscheidungsträgern zusammenzuarbeiten, um die bestehende Pensionslücke in der EU zu schließen, so Insurance Europe. Da die Covid-19-Pandemie diese Lücke noch weiter vergrößert hat, sei es von entscheidender Bedeutung, das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass es notwendig ist, für den Ruhestand zu sparen. Auch sei es wichtig, das Niveau der finanziellen Bildung zu verbessern, damit der Einzelne die für seine eigenen Umstände am besten geeigneten Entscheidungen treffen kann.

Politische Entscheidungsträger müssten daher Schritte unternehmen, um den Bürgern eine Erhöhung ihrer Rentenersparnisse zu ermöglichen, und gleichzeitig sicherstellen, dass der Rechtsrahmen es den Versicherern ermöglicht, ihre Rolle als Anbieter langfristiger Pensionen zu erfüllen, erklärt dazu Nicolas Jeanmart, Head of Personal and General Insurance bei Insurance Europe.

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