Umdenken in CEE notwendig

Ein neues Wachstumsmodell soll den Lebensstandard in der Region erhöhen.

Ulrich Schneider. Viele Länder der CEE-Region haben seit Mitte der 1990er Jahre beeindruckende Fortschritte beim wirtschaftlichen Aufholprozess gegenüber Westeuropa gemacht. Jedoch stößt das bisher erfolgreiche Modell, arbeitsintensive Produktionsschritte zu übernehmen und als „verlängerte Werkbank“ westlicher Unternehmen tätig zu sein, an seine Grenzen, schreibt das Internetportal Emerging Europe.

Die Kollegen verweisen dabei auf eine neue Studie des Wiener Instituts für Internationale Wirtschafsvergleiche (kurz wiiw) mit dem Titel „Fallen vermeiden und Megatrends aufgreifen: Vorschläge für ein neues Wachstumsmodell in EU-MOE“.

Ausgehend vom Beispiel der Automobilindustrie in Tschechien wird dabei die große Abhängigkeit zentral- und osteuropäischer Staaten von arbeitsintensiven Exportindustrien aufgezeigt. Und eben diese Exportindustrien werden in den kommenden Jahren einem enormen Strukturwandel unterliegen. Der Co-Autor der Studie und stellvertretender Direktor des wiiw, Richard Grieveson, nennt dazu als Stichworte E-Mobilität, Klimawandel und Digitalisierung. In Verbindung mit großen strukturellen Veränderungen wie Dekarbonisierung und Digitalisierung macht dies für CEE die Entwicklung eines neuen, innovationsbasierten Wirtschaftsmodells unabdingbar, lautet das Fazit der Studie. „Nur dann werden diese Staaten bei Produktivität und Lebensstandard zu Westeuropa aufschließen können“, meint Grieveson.

Problematisch für die Staaten ist, dass die zentralen technologischen Kompetenzen und die Produktionsteile mit der höchsten Wertschöpfung in den „Hauptquartieren“ Westeuropas angesiedelt sind. Daher sind die in der Studie beleuchteten EU-Mitgliedsstaaten der Region, Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Slowenien, Kroatien, Rumänien, Bulgarien sowie die drei baltischen Staaten, immer noch stark auf arbeitsintensive Produktion spezialisiert. Sie sind erheblich auf niedrigere Arbeitskosten angewiesen, was ihre Aussichten, wirtschaftlich zu Westeuropa aufzuschließen, einschränkt. Grieveson warnt aber auch, dass „der Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor (…) viele Arbeitsplätze kosten (wird). Die Kosten des Übergangs, sowohl sozial als auch wirtschaftlich, könnten in der EU-MOE recht hoch sein“.

Fit für die Zukunft machen heißt grüner, digitaler zu werden und mehr lokale Wertschöpfung zu schaffen. Dekarbonisierung, Digitalisierung und eine schrumpfende Erwerbsbevölkerung erforderten massive Anstrengungen. Zur Bewältigung des Übergangs seien enorme finanzielle Mittel notwendig, so Grieveson. Zugleich erläutert er, „die Transformation (hatte) in den 1990er-Jahren (…) zerstörerische soziale Folgen. Diesen Fehler sollten wir nicht noch einmal machen.“ Es wird auf den Corona-Wiederaufbaufonds „NextGenerationEU“ als ein Wendepunkt hingewiesen, wobei es nicht ohne mehr Flexibilität innerhalb des Stabilitäts- und Wachstumspakts der EU gehen wird, um mehr kreditfinanzierte Investitionen der öffentlichen Hand zu ermöglichen.

Auch sei eine strategisch ausgerichtete Industriepolitik unabdingbar. Wie es heißt, sollte es Ziel sein, ein nationales Innovationssystem zu schaffen, in dem der private Sektor, Universitäten, wichtige Ministerien und Sozialpartner vereint sind. Die CEE-Staaten könnten so in lukrative Bereiche der Wertschöpfungskette vorstoßen. Dabei sollten digitale Technologien flächendeckend eingeführt werden.

Zu den Aufgaben der jeweiligen Regierungen in der Region gehört es in diesem Zusammenhang, eine gute Infrastruktur bereitzustellen. Ebenso sollten die Regierungen die digitale Revolution vollständig annehmen und nutzen. Sie müssen alle verfügbaren Ressourcen maximieren, um auch vom grünen Übergang zu profitieren.

Der erfolgreiche Übergang Mittelosteuropas hin zu einem innovationsgetriebenen Wachstumsmodell ist auch für Deutschland und Österreich von größter Bedeutung, so die Autoren. Mehr EU-Konjunkturmittel für die Region im Rahmen von „NextGenerationEU“ brächten zwangsläufig auch positive Spillover-Effekte, prognostiziert die wiiw-Studie. Wenn die grüne und digitale Transformation also gelingt, dürfte die Bedeutung der Region für die beiden westlichen Länder weiter steigen.

Foto: Adobe Stock / Harvepino