Neuer Zinsschub: Was haben die Notenbanken vor?

Der März wird ein geldpolitisch entscheidender Monat mit viel Überraschungspotenzial.

Michael Kordovsky. Die Inflationsrate in den Vereinigten Staaten kletterte von März 2020 bis Dezember 2021 von 1,5 auf 7,0 % (das ist der höchste Wert seit Juni 1982), und in der Eurozone von 0,75 auf 5,0 %, um im Jänner 2022 mit 5,1 % den alten Rekordwert nochmals zu übertreffen.

Dabei wuchs in den USA die Wirtschaft im Jahr 2021 annualisiert um 5,7 % (höchster Wert seit 1984) und im vierten Quartal sogar um 6,9 % versus den erwarteten 5,5 %. In den Monaten Dezember 2021 und Jänner 2022 entstanden außerhalb der Landwirtschaft jeweils 510.000 bzw. 467.000 Stellen. Die Jahres-Steigerung der US-Stundenlöhne beschleunigte sich von Dezember auf Jänner von 4,7 auf 5,7 %.

Die Iden des März
Die Fed wird ohne größere Zwischenfälle bereits in ihrer Sitzung am 16. März eine erste Leitzinsanhebung seit Dezember 2018 durchführen, zumal bis dahin die monatlichen Anleihenkäufe von ursprünglich 120 MrdUSD bereits auf null heruntergefahren sind. Das CME FedWatch-Tool auf Futures-Basis preist diese Zinsanhebung zu 100 % ein. Die Frage ist dabei, ob es bei nur 0,25 %-Punkten bleiben wird. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 36,6 % wäre es sogar eine stärkere Anhebung um 0,50 %-Punkte von 0 bis 0,25 % auf 0,50 bis 0,75 %.

Die hohe Inflation erfordert härteres Durchgreifen und die Markterwartungen haben sich geändert: Der von der Universität Michigan entwickelte Maßstab zur Messung von Inflationserwartungen zeigt, dass die Fünf-Jahres-Inflationserwartung im Jänner mit 3,1 % den höchsten Stand seit 2009 erreichte. Noch im März 2020 lag der Wert bei 2,3 %.

Ende März 2022 enden im Euroraum die Pandemie-Ankäufe. Der EZB-Rat beabsichtigt, die Tilgungsbeträge der im Rahmen des PEPP erworbenen Wertpapiere mindestens bis Ende 2024 weiter-hin bei Fälligkeit wieder anzulegen. Das zukünftige Auslaufen des PEPP-Portfolios wird in jedem Fall so gesteuert, dass eine Beeinträchtigung des angemessenen geldpolitischen Kurses vermieden wird. Konkret impliziert dies Sorgen um hochverschuldete Länder wie Griechenland, Spanien und Italien, bei denen Anleihen-Renditeanstiege bei Wegfall der künstlichen Nachfrage durch EZB-Ankäufe besonders ins Gewicht fallen. Um dem vorzubeugen, reinvestiert die EZB ausgelaufene Papiere des PEPP-Portfolios noch bis Ende 2024. Indessen sollte das längerfristige Anleihen-Kaufprogramm APP noch weiter laufen. Erst nach dessen Ende sind Leitzinsanhebungen ein Thema. Dennoch hat sich etwas geändert: EZB-Präsidentin Christine Lagarde ließ in der Pressekonferenz nach der EZB-Sitzung am 3. Feber die Äußerung fallen, eine Leitzinsanhebung 2022 sei sehr unwahrscheinlich. Dafür hielt sie sich mehrere Optionen offen. Entscheidend wird somit die kommende Sitzung am 10. März, in der sich der EZB-Rat auf Basis aktualisierter Datenlage genauer der weiteren Geldpolitik widmen möchte. Derzeit werden fleißig Daten gesammelt.

Inflationsgefahr ursprünglich unterschätzt
So befragt die EZB viermal im Jahr Volkswirte zu deren Wachstums- und Inflationsprognosen für die Eurozone und die jüngsten Inflationseinschätzungen sind kritisch: Für das Jahr 2022 wird ein Anstieg der Verbraucherpreise um 3,0 % erwartet, verglichen mit erwarteten 1,9 % in der Herbstumfrage 2021. Für 2023 wurde die Prognose von 1,7 auf 1,8 % nach oben revidiert und 2024 sollte bereits wieder ein Rückgang auf 1,9 % folgen. Offensichtlich haben die Experten die Nachhaltigkeit der Inflation unterschätzt.

Umso spannender wird deshalb die nächste EZB-Ratssitzung. In diesem Zusammenhang und im Konnex mit der jüngsten EZB-Entscheidung meint Expertin Sandra Holdsworth vom internationalen Assetmanager Aegon: „Die EZB hat (heute) ihre Geldpolitik nicht verändert. Präsidentin Lagarde hat jedoch sehr stark angedeutet, dass sie auf ihrer Sitzung im März ihren derzeitigen Kurs neu bewerten wird. Die EZB hat auch einen Satz in der begleitenden Erklärung gestrichen, der besagte, dass Anpassungen der Geldpolitik in beide Richtungen möglich seien. Es wird daher davon ausgegangen, dass eine Änderung der Geldpolitik zu einer strafferen Haltung führen wird. Dies wird auf den Anleihemärkten abgewartet, aber es ist unklar, in welchem Umfang, zu welchem Zeitpunkt und mit welchem Instrument dies geschehen wird. Die Sitzung im März wird Aufschluss geben, aber in der Zwischenzeit werden die Spekulationen weitergehen.“

Fakt ist, dass am Freitag, 4. Feber, der Drei-Jahres-EUR-Swapsatz mit 11 Basispunkten auf 0,3510 % am stärksten angestiegen ist. Doch bereits der Zwei-Jahres-EUR-Swapsatz stieg um 10 Basispunkte auf 0,139 %, verglichen mit einem Anstieg des 30-Jahres-EUR-Swapsatzes um nur fünf Basispunkte auf 0,5680 %. Allerdings erreicht die Zinskurve im 15-Jahres-Bereich ihren Peak bei 0,7290 % und verläuft dann invers. Die Renditen zehnjähriger deutscher Bundesanleihen, die bereits auf Monatsbasis um 33 Basispunkte anstiegen, sprangen am Freitag um sieben Basispunkt auf 0,20 %. Die Anhebung der Bank Rate in Großbritannien um 0,25 %-Punkte auf 0,50 % war hingegen weitgehend eingepreist, während die Renditen zehnjähriger US-Treasuries auf aktuelle Arbeitsmarktdaten um neun Basispunkte auf 1,92 % sprangen.

Fazit
Die Inflation diktiert den Notenbanken immer mehr das Gesetz des Handelns, und so lange es zu keiner größeren Konjunkturdelle kommt, setzt sich weltweit im möglichen Handlungsrahmen eine tendenziell restriktivere Geldpolitik durch.

Foto: wikimedia / AgnosticPreachersKid