Aufgewacht in einer anderen Welt
Ost-Exposure: Österreich bankenseitig Nummer drei in Europa.
Rudolf Preyer. Ausgerechnet am historischen Datum 24. Feber 2022 – dem Tag des russischen Großangriffs auf die Ukraine (womit natürlich kein Gastgeber rechnen konnte) – organisierte der heimische Bankenverband einen ökonomischen Ausblick. Stefan Schneider, Chief German Economist der Deutschen Bank, wies eingangs auf die Abhängigkeit der europäischen Staaten von russischen Energielieferungen hin – im Durchschnitt kommen 40 % des auf dem Kontinent benötigten Gases aus Russland.
Stand 24.2. konnte man über einen (nun tatsächlich erfolgten) Ausschluss der Russischen Föderation aus dem Swift-Zahlungssystem nur mutmaßen. Zwar haben die Russen bereits versucht, ein alternatives Zahlungssystem aufzubauen – auch mit Blick auf die Wirtschaftsbeziehung zu China -, das dort und da auch schon in Verwendung sei. Im nunmehrigen Kappen des russischen Zugangs zu Swift müsse man freilich auch mitbedenken, dass dies nicht nur Russland treffe – sondern eben auch den Westen finanziell koste, so Schneider. Die Möglichkeit zum Dialog müsse unbedingt bestehen bleiben, ergänzte Bankenverband-Generalsekretär Gerald Resch. Österreich habe in Europa die drittgrößten Investoren auf Bankenseite. Über die Auswirkungen der Sanktionen auf die Austro-Banken wollte er keine Spekulationen anstellen.
Dass umfassende Sanktionen eben auch hohe Kosten für den Westen zeitigen, betonte auch Stefan Bruckbauer, Chief Economist der UniCredit Bank Austria. Beim Exposure wiederum beruhigte er – man müsse im Kopf behalten, dass „sämtliche der seitens der lokalen Banken-Töchter an die Wirtschaft und die Bevölkerung vergebenen Kredite durch lokale Einlagen refinanziert werden“.
Keine Rückkehr zum Davor
„Wir kriegen keine Rückkehr zum Status quo ante“, wies Schneider darauf hin, dass wir neben geopolitischen Verwerfungen auch weitere Herausforderungen zu vergegenwärtigen haben. Covid werde in unseren Ökonomien nachhaltig Strukturen verändern, etwa auch bezüglich der Lieferketten.
Engpässe in Letzteren und Rohstoff- sowie Energiepreisanstiege werden die Inflation nach oben treiben, prognostizierte Bruckbauer: „Wir dürfen auch im nächsten Jahr nicht mit Inflationsraten von unter 2 % rechnen.“ Höhere Inflationsraten werden sich wohl verstetigen.
Schneider und Resch sehen die Spitze zumindest der Pandemie erreicht. Selbst, wenn es im Herbst wieder eine Welle gebe, seien wir medizinisch weiter, auch habe die aktuelle Welle wirtschaftlich nicht so tiefe Spuren hinterlassen, wie noch vor einem Jahr. Hinzu kommen regierungsseitige Fiskalimpulse und Unterstützungspakete sowie robuste europäische Arbeitsmärkte auf dem Niveau vor der Pandemie. Auch der mit 750 Mrd Euro gut dotierte „Next Generation Recovery Fund“ der EU stütze die Konjunktur.
Der Konsum sollte in Österreich heuer real um 6 % wachsen, aber erst gegen Ende des Jahres das Niveau von 2019 toppen. Die Investitionen haben bereits wieder Vorkrisen-Niveau erreicht, die Kreditnachfrage steige schon „sehr rasch“, und der Wohnbau bleibe weiter stark.
Zuletzt sieht Schneider neben einer Entspannung bei den Einkaufspreisen eine „Zinswende“ auf uns zukommen: Die Fed werde ab März ihre Zinsen in diesem Jahr sechsmal anheben. Die EZB dürfte im September und Dezember
den Einlagenzins um jeweils 25 Basispunkte erhöhen. Damit gewinnen makroökonomische Faktoren wieder an Bedeutung für den Bondmarkt.
Fazit: Es kündigt sich eine Erholung der Weltwirtschaft an, aufgrund des Russland-Einmarsches in die Ukraine werden aber die Karten neu gemischt.
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