Wo Experten jetzt Chancen sehen
Die steigende Inflation wird von der Energiekrise angeheizt – ein schwieriges Umfeld.
Raja Korinek. Es sind erst wenige Wochen her, da knackte der Ölpreis erstmals seit Längerem wieder die Marke von 100 USD. Grund ist für die rasante Entwicklung ist freilich der Ukraine-Konflikt, der sich weiter zuspitzt. Eine schnelle Entspannung ist deshalb ebenso wenig bei den Energiepreisen wie auch bei der steigenden Inflation in Sicht.
Die Inflation schnellt hinauf
Stefan Riße, Kapitalmarktstratege beim deutschen Vermögensverwalter Acatis Investment, meint „selbst wenn Ölpreis nicht weiter steigt, wird einige Zeit vergehen, bis sich allein der Basiseffekt daraus relativiert“. Auf solche und weitere Entwicklungen ging der Marktexperte im Rahmen seines Vortrages zu der Ukraine-Krise und einer möglichen Neuordnung der Finanzmärkte ein. Der Börsen-Kurier war dabei.
Freilich, die steigende Inflation ist bereits deutlich sichtbar. Sie erreichte in der Eurozone im Feber 5,8 % im Jahresvergleich. In den USA lag der Zuwachs bei 7,9 %. Aus diesem Grund verkündete die EZB in ihrer jüngsten Sitzung, das Anleihekaufprogramm voraussichtlich noch heuer zu beenden. Selbst eine erste Zinsanhebung ist denkbar.
Auch der Handelskrieg tobt
Inzwischen hat der Westen zahlreiche Sanktionen gegen Russland verhängt, immer mehr Unternehmen ziehen sich zudem aus der Region zurück. Riße meint, während Russlands Wirtschaft deshalb besonders hart getroffen werden dürfte, werde auch Europas Wirtschaftswachstum ein gutes Stück schrumpfen. Die Ansicht teilt man auch in anderen Häusern. Bei Carmignac wurden die Prognosen zuletzt nach unten revidiert. Für die Eurozone wurde das Wachstum heuer auf 2,3 % herabgesetzt, für die USA auf 3 %.
Riße verweist auch auf die volatilen Aktienmärkte in diesem Zusammenhang: „Vor kurzem rechneten Marktteilnehmer mit einem raschen Einmarsch in die Ukraine, somit einem schnellen Ende des Krieges, wie es auch bei der Krim der Fall war.“ Nun zeige sich, dass sich der Konflikt länger als erwartet hinauszögere, ein Umstand, der Börsenteilnehmer verunsichert.
Russland-Exposure nicht vergessen
Umso mehr steht Riße zufolge ein selektiver Investmentzugang im Fokus. Der habe sich bislang bewährt, etwa weil man deshalb nicht in Bankaktien investiert war. „Wir versäumten damit deren Kurshausse, müssen die jüngsten Rücksetzer dafür ebenso wenig verbuchen.“ Der Acatis-Experte verweist auf das hohe Russland-Exposure einiger Europahäuser, etwa der Raiffeisen Bank International, UniCredit (ISIN: IT0005239360) und von Société Générale (FR0000130809).
Chancen mit Tech-Aktien?
Riße rät nunmehr antizyklische Chancen zu nutzen und findet, dass beispielsweise Technologieaktien – nach den jüngsten Rücksetzern – einen interessanten Einstieg böten. Denn Großkonzerne wie Alphabet (US02079K3059), Facebook (US30303M1027) und Microsoft (US5949181045) dürften vom Krieg kaum betroffen sein, das Russlandgeschäft solcher Unternehmen sei zudem überschaubar. Überhaupt deuten die hohen Short-Positionen an der Nasdaq – mit solchen Wetten spekulieren Investoren auf fallende Kurse – auf einen überverkauften Markt. Und damit auf eine mögliche Wende, meint Riße.
Auch im Gesundheitsbereich sieht man bei Acatis gute Chancen, etwa mit der Aktie von Ensign (US29358P1012) aus den USA. Das Unternehmen betreibt Rehazentren, Alten- und Pflegeeinrichtungen. Das Geschäftsmodell sei krisensicher, die Mietverträge beinhalten zudem eine Inflationsanpassung. Solch eine Eigenschaft dürfte zunehmend gefragt sein.
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