Höhepunkt der Immobilienblase

Die Alarmsignale an den (Wohn-)Immobilienmärkten mehren sich.

Michael Kordovsky. Weltweit waren im Zuge der Geldflut und niedriger Zinsen während der Pandemie die Wohnimmobilienpreise im Aufwind. Der 20 US-Metropolen umfassende „S&P/Case-Shiller 20-City Composite Home Price Index“ stieg in den zwei Jahren bis Jänner 2022 um insgesamt 32,4 bzw. um 15,1 % p.a. In der EU beschleunigte sich der Anstieg des Hauspreisindex (HPI) von 5,0 % im vierten Quartal 2019 bis zum vierten Quartal 2021 auf 10,0 % (in der Eurozone von 4,5 auf 9,4 %). Im vierten Quartal 2020 lag der Preisauftrieb noch bei 5,8 %. Mittlerweile ist mit +9,4 % im Euroraum der höchste jährliche Anstieg seit Erhebung der Daten im Jahr 2005 erreicht.

Bis zu knapp 26 % Anstieg in einem Jahr
Der Hauspreisindex (HPI) misst die Preisentwicklungen aller von Haushalten erworbenen Wohnimmobilien (Wohnungen, Einfamilienhäuser, Reihenhäuser usw.), sowohl Neu- als auch Altbauten, unabhängig von ihrer endgültigen Verwendung und ihren bisherigen Eigentümern. Die HPIs der Mitgliedstaaten werden von den nationalen Statistikämtern erstellt, die Aggregate der HPIs für den Euroraum und die EU von EuroStat. Auf dieser Basis die stärksten Hauspreisanstiege verzeichneten im vierten Quartal 2021 quer durch die EU: Tschechien (+25,8 %), Estland (+20,4 %), Litauen (+19,8 %), Ungarn (19,5 %) und die Niederlande (+18,7 %). Deutschland und Österreich verzeichneten ein Plus von jeweils 12,2 bzw. 14,9 %, während Zypern mit -5,3 % als einziges Land rückläufige Preise registriert.

Überbewertung von Wohnimmobilien bei uns
Klare Fakten liefert die Deutsche Bundesbank im „Monatsbericht Februar 2022“: „Gemäß aktuellen Schätzergebnissen lagen die Immobilienpreise in den Städten im Jahr 2021 zwischen 15 und 40 % über dem Preis, der durch sozio-demografische und wirtschaftliche Fundamentalfaktoren angezeigt ist. Das Kaufpreis-Jahresmiete-Verhältnis bei Wohnungen in Städten lag im Berichtsjahr gut 30 % und in den sieben Großstädten rund 40 % über seinem längerfristigen Mittelwert.“ Weitere „Alarmsignale“ im O-Ton: „Sowohl dem Kaufpreis-Einkommen-Verhältnis zufolge als auch gemäß Schätzergebnissen für die Langfristbeziehung von Immobilienpreisen, Einkommen und Zinsen lagen die Preise für Wohnimmobilien in Deutschland um 20 bis 35 % über dem Referenzwert.“

Die Aufsicht hat bereits reagiert: Laut BaFin müssen deutsche Banken seit April Wohnimmobilien-Kredite anstatt mit 0,75 % Eigenkapital nun mit 2 % absichern. Mittlerweile steht auch eine Obergrenze für die LTV(Loan-To-Value)-Quote bei Baukrediten zur Diskussion. Ähnlich ist auch die Situation in Österreich, wo der OeNB-Fundamentalpreisindikator für Wohnimmobilien den stärksten Anstieg seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 1989 erreichte. Im vierten Quartal 2021 erreichte er mit 29,8 % einen Wert von 7,6 %-Punkten über dem Vorquartal. In Wien lag die Abweichung von den Fundamentalfaktoren sogar bei 35,6 %. Voraussichtlich ab 1. Juli sind seitens der Regulierungsbehörden strengere Mindeststandards in der Vergabe von Wohnkrediten geplant.

Steigende Zinsen
Die Regulierungsbehörden werden strenger und gleichzeitig steigen die Zinsen. Kredite werden schlichtweg teurer und immer weniger Käufer können sich das teure Wohneigentum noch leisten. Mit der Zinswende kehren früher oder später auch in Europa die Sparzinsen wieder zurück. Dann würde auch der Immobilienveranlagungsbedarf defensiver Anleger sinken. Auf jeden Fall sind am langen Ende die EUR-Swapsätze zuletzt kräftig angestiegen. Eine Kostprobe: Vom 31.12.2021 bis 22.4.2022 stieg der 15-Jahres-EUR-Swapsatz von 0,49 auf 1,78 %. Das bedeutet drastisch höhere 15jährige Fixzinsen beim Neuabschluss. Im gleichen Zeitraum stieg auch der Drei-Jahres-EUR-Swapsatz von -0,15 auf 1,22 %, was binnen drei Jahren mehrere Leitzinsanhebungen der EZB impliziert. Eine Anhebungsreihe im Hauptrefinanzierungssatz auf bis zu 1,5 % ist nicht mehr auszuschließen. Dann würden bei einem Aufschlag von 1,25 %-Punkten auf den Drei-Monats-Euribor die variablen Zinsen von 0,75 auf rund 2,75 % steigen. Hingegen könnten 20jährige Fixzinsbindungen dann bereits mehr als 4 % p.a. kosten (in Österreich). Angenommen ein Gebäude ist zur Gänze fremdfinanziert, dann würden auf 20 Jahre gesehen 2 % p.a. an höheren Zinsen bereits einen Mehraufwand ausmachen, der äquivalent zu 40 % des Kaufpreises wäre. Fundamental würde dies – einfach gerechnet – in so einem Fall zum „Ausgleich“ einen Preisnachlass um 40 % erfordern. Da in der Regel entsprechend Eigenmittel im Spiel sind, wären die Folgen so eines Zinsanstiegs eher im Bereich von -20 bis -30 % angesiedelt. Das wäre aber schon ausreichend für eine Welle an Notverkäufen, vor allem bei Frankenschuldnern, die ohnehin mit einer kontinuierlichen Aufwertung des Schweizer Frankens konfrontiert sind.

Kritische (geo-)politische Konstellation
Carsharing, öffentliche Verkehrsmittel und E-Autos sind im Vormarsch und der Autofahrer als effektive „Melkkuh der Nation“ war gestern, zumal nun sogar eine Reduktion der Steuern auf Treibstoffe zur Diskussion steht. Hingegen haben sich gebrauchte Eigentumswohnungen in Wien seit dem Jahr 2000 im Wert mehr als verdreifacht (+208,3 % bis Q4 21; Quelle: OeNB-Wohnimmobilienpreisindex). Welches Ausmaß der Wohnungshype mittlerweile angenommen hat, zeigte bereits der Querschnitt durch Europa. Somit stehen nun die Immobilienbesitzer klar im Visier des Fiskus. Sie sind die neuen „Melkkühe“ des Budgets. Die Immo-ESt in Österreich ist erst der Anfang.

Neue Melkkühe
Leerstandsabgaben oder Zwangsvermietung leerstehender Wohnungen gegen minimale Mietzahlungen des Staates wären weitere Möglichkeiten, genauso wie allgemeine Vermögenssteuern für sogenannte „Reiche“ mit mehr als 1 Mio Euro Nettovermögen. Als gröbere Einschränkungen und Auflagen hinzukommen könnten Mietzinsobergrenzen inklusive fugendichter Umgehungsverbote sowie bei älteren Gebäuden Verpflichtungen zum Umbau auf Niedrigenergieverbrauch (thermische Sanierung etc.). Ein erster Schritt ist bereits die Verpflichtung zum Austausch von Ölheizungen und Ersatz durch ökologischere Alternativen.

Doch am schlimmsten wäre – und das wird in Deutschland bereits diskutiert – ein Gesetz über den Corona-Lastenausgleich ähnlich wie jenes vom 14. August 1952 (Lastenausgleichsgesetz). Damals finanzierte man damit Kriegsentschädigungen. Die Höhe der damit in Verbindung stehenden Abgabe wurde nach der Höhe des Vermögens mit Stand vom 21. Juni 1948 berechnet. Sie belief sich auf 50 % des berechneten Vermögenswertes und konnte in bis zu 120 vierteljährlichen Raten, also verteilt auf 30 Jahre, in einen Ausgleichsfonds eingezahlt werden. So ein Szenario deckt sich auch mit der 2013 vom IWF vorgeschlagenen einmaligen Vermögensabgabe von 10 %. Beispielsweise könnte diese als Zwangshypothek auf Immobilien dann auf zehn bis 30 Jahre abbezahlt werden.

Ein weiteres kritisches Szenario, das sich bereits abzeichnet, wäre ein Rückzug russischer Oligarchen und reicher Investoren diverser anderer Schwellenländer aus der EU und somit auch aus Österreich. Vor allem reiche Russen fürchten um ihr Immobilieneigentum. Beginnen diese und auch andere Gruppen ausländischer Immobilienbesitzer binnen kürzester Zeit mit einem Abverkauf, könnte dies einen Crash bei Luxusimmobilien und in gehobenen Segmenten auslösen.

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