Wohin die Welt steuert

Zweifel, Drama, aber auch Gelassenheit beim Weltwirtschaftsforum in Davos.

Roman Steinbauer. Nach der Zwangspause fand vom 22. bis 26. Mai das Weltwirtschaftsforum (WEF) in gewohnter Form wieder im Kongresszentrum Davos statt. Im Ambiente der imposanten Schweizer Bergwelt gelegen, trafen sich mehr als 2.400 renommierte Ökonomen, Wissenschafter, Politiker sowie Medienvertreter, um über die aktuellen Fragen der Welt zu diskutieren. Die Veranstaltung unter dem Titel „Die Geschichte am Wendepunkt“ wurde durch die Schwerpunkte Wirtschaftserholung nach der Pandemie, Osteuropa-Konflikt sowie Klimaschutz dominiert. Den Finanzmarkt betreffend, filterte der Börsen-Kurier Aussagen diverser Ökonomen und Vorstände global agierender Unternehmen.

Der Vize-CEO von S&P Global, Dan Yergin, umriss die gegenwärtige Entwicklung des Weltgeschehens auf seine Weise: „Wir sind auf dem Weg in eine fragmentierte, nicht globalisierte Welt.“ Anne Richards, CEO bei Fidelity International, erwartet weitere zwei Quartale erhöhter Volatilität und gab zu bedenken: „Erst dann sehen wir letztendlich die weitere Marktrichtung. Das Risiko einer Rezession hat sich aber unterdessen erhöht.“ Optimismus für den chinesischen Markt sah Jakob Stausholm (CEO des Rohstoff-Riesen Rio Tinto) und forderte im Sinne der Rohstoff-Konglomerate: „Die Staaten sollen Geld in die Hand nehmen und die Infrastruktur ausbauen, denn das tut allen gut.“

Die Chefökonomin des Internationalen Währungsfonds, Gita Gopinath, mahnte die rasche Eindämmung der Inflation durch die US-Notenbank ein. Konträr und warnend dazu der prominente Wirtschaftswissenschafter der Columbia Universität, Joseph Stiglitz: „Die reflexartige Gegensteuerung mit Anhebung der Leitzinsen wird diesmal gegen die Inflation nicht wirken.“ Damit fördere die Fed nur eine Rezession und Finanzkrise. Stiglitz erkennt generell eine Bedrohung für das Weltwirtschaftssystem und die Demokratie. EZB-Präsidentin Christine Lagarde, die keine Rezession in Europa erwartet, stellte sich Behauptungen entgegen, die EZB laufe der Inflation hinterher und legte klar: „Wir sind in keinem Panik-Modus.“ Von einer Rezession und einem diesbezüglichen Handlungsbedarf werde nicht ausgegangen.

Quer zu denken empfahl Investmentbanker und Ex-CEO bei JPMorgan Chase, Jamie Dimon: „Die Gewitterwolken über der Weltwirtschaft könnten unerwartet rasch abziehen.“ UBS-CEO Ralph Hamers sieht wiederum die Welt nach dem Pandemie- und Kriegs- nun in einen Übergangsschock hineinlaufen. Mit einer gegenläufigen Sicht zur US-Devise ließ Rebecca Patterson, CIO bei Bridgewater Associates, aufhorchen: „Der Dollar ist nun verwundbar, sowohl in der Betrachtung des bisherigen Verlaufs als auch strukturell.“ Nach Bob Prince, Co-CIO dieses Hedgefonds, habe der Einzug einer Stagflation bereits begonnen.

David Livingstone, CEO von Citibank Europa, machte sich um die hohe Abhängigkeit der EU von den Bankbilanzen Sorgen. Zuversicht zeigten der Präsident der US-Börse NYSE, Lynn Martin, der kein Abebben des Zustroms an Börsengängen erkennt, sowie der Marriott-Vorstandsvorsitzende Tony Capuano, der im Hotelsegment „derzeit eine starke Macht zur Preissetzung“ registriert. Morgan Stanleys Chef-Aktienstratege Mike Wilson stellt fest, dass wir uns längst in einem Bärenmarkt befinden. Moderna-Vorstand Stephane Bancel fürchtet wiederum um den Platz in vorderster Reihe: „Es gibt so viele Krisen in der Welt, dass die Gesundheit an Gewicht verlieren wird.“

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