Ordentliche Angst-Ansage der Bevölkerung

Unterstützungsmüdigkeit für die Ukraine; Herausforderungen einer multipolaren Welt.

Rudolf Preyer. Die Paul Lazarsfeld Gesellschaft für Sozialforschung (PLG) verstehe sich als „Pulsuhr der Gesellschaft“, erklärte Präsident Werner Beutelmeyer eingangs einer Konferenz Anfang Juli mit den aktuellen Schwerpunkten „Ukraine“ und „Inflation“. Im Presseclub Concordia konnte dabei eine aktuelle Umfrage zur Stimmungslage in der österreichischen Bevölkerung präsentiert werden, die von renommierten Experten kommentiert wurde.

Weil im wöchentlichen Rhythmus tausend Personen befragt werden, genießt die „Lazarsfeld-Umfrage“ in Fachkreisen den Ruf eines Seismographen, der Veränderungen in der Gesellschaft zeitnah wahrnimmt.

Die Umfrage
Die Ergebnisse der Umfrage im Folgenden im Ticker-Format: Wir haben die „Optimismuselastiziät“ verloren, nur mehr jeder vierte Österreicher blickt optimistisch in die Zukunft. Ad Inflation: Für drei Viertel ist die Teuerung (sehr) spürbar. Folglich beabsichtigen zwei von drei Österreichern, den Gürtel enger zu schnallen. Die große Mehrheit (57 %) glaubt, dass sich der russische Vormarsch durch die breite Allianz des Westens sowie durch die militärische Unterstützung der Ukraine nicht stoppen lassen. Die Befragten tendieren mehrheitlich in Richtung eines geringeren Engagements der EU in der Unterstützung der Ukraine. Dito die Meinung zur Ukraine als EU-Beitrittskandidat („wenig gute Maßnahme“). Zwei Drittel halten einen totalen Gaslieferstopp durch Russland für „wahrscheinlich“. Und für genauso viele hätte dieser „dramatische Auswirkungen“. Vorrangig sollten diesfalls dann private Haushalte bevorzugt beliefert werden anstatt der Industrie. Kurzum: Die Befürchtung einer schweren Wirtschaftskrise im Vergleich zum Kriegsbeginn hat stark zugenommen.

Die Reaktionen
Ewald Nowotny
, Nationalbank-Gouverneur a.D., wunderte sich, dass die doch hoffnungsvollen Prognosen heimischer Institute den möglichen Stopp russischer Gaslieferungen nicht berücksichtigt haben. Die negative Erwartungshaltung der Österreicher, so befürchtete der Ökonom, könne zu einer „selbstverstärkenden Inflations-Spirale“ führen. Nowotny sprach sich für einen „inflationssinkenden vorübergehenden Erlass der Mehrwertsteuer für Grundnahrungsmittel“ aus.

Wolfgang Petritsch, OECD-Botschafter a.D., erwartet eine „neue Migrationswelle aus dem Süden“. Um einer „Unterstützungsmüdigkeit im Westen“ vorzubeugen, könnte es unter Umständen angebracht sein, den Krieg mit einer Gebietsabtretung seitens der Ukraine zu beenden. Was das „Vorzimmer der EU“ betrifft, sprach sich Petritsch dafür aus, die Ukraine und Moldawien nicht in einen Topf mit den Beitrittskandidaten vom Westbalkan zu werfen. Die energiepolitische Abhängigkeit Europas von Russland sei „mindestens so groß“ wie die „Abhängigkeit von China“, so der Diplomat, der sich für eine „aktive Neutralitätspolitik Österreichs“ aussprach.

Alles in allem lasse sich ein „Gap“ beobachten – zwischen dem, „was die Bevölkerung meint“, und dem, „was die Mehrzahl der Medien berichtet“, so PLG-Direktor Patrick Horvath.

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