Das schwierige Werben um Talente
Die Dynamik am Arbeitsmarkt und Generation Z erfordern neue Wege im HR-Bereich.
Christian Sec. „Österreichs Unternehmen inserieren um 40 % mehr Jobausschreibungen als in der Vergangenheit, weil durch den enormen Digitalisierungsschub neue Kompetenzen und Skillsets benötigt werden“, erklärt Christian Dorfinger, Talentescout der Erste Bank, gegenüber dem Börsen-Kurier. Während die Konzerne händeringend nach Talenten vor allem in den MINT-Fächern (Mathematik, Naturwissenschaft, IT, Technik) suchen, treten die potenziellen Arbeitnehmer zunehmend selbstbewusster auf. „Das Unternehmen stellt sich heute genauso beim Bewerber vor, wie der Bewerber beim Unternehmen“, so Ulrike Baumgartner-Foisner, Senior Vice President im Human-Resources (HR) von Wienerberger, zum Börsen-Kurier. „Haben Unternehmen früher noch Anzeigen geschaltet und auf geeignete Bewerber gewartet, muss Recruiting heute direkt an potenzielle Bewerber herantreten und ähnlich einem Headhunter agieren“, sagt Baumgartner-Foisner. „Auf der anderen Seite sitzt eine neue Generation, die oft einen viel flexibleren Zugang zum Thema Arbeit hat als ihre Vorgänger“, meint Dorfinger. Dabei geht es um die Möglichkeit zum Remote-Working oder um Teilzeitmodelle und um Workation, also die Verschmelzung von Urlaub und Arbeit; und schluss-endlich soll die Arbeit auch als sinnstiftend wahrgenommen werden. Genau dieses Delta zwischen großem Arbeitskraftbedarf und den Vorstellungen der neuen Generation bringe enorme Dynamik in den Arbeitsmarkt, so Dorfinger. In Zeiten wie diesen, wo die Kandidaten auf Augenhöhe mit den Unternehmen sind, sei daher die positive Wahrnehmung einer Arbeitgebermarke von großer Bedeutung, erklärt der Erste-Bank-Mann.
Auf allen Kanälen aktiv
„Der größte Wettbewerb um Talente findet im Bereich der IT statt, da branchenübergreifend sehr ähnliche Kompetenzen gesucht werden“, erklärt uns René Knapp, HR-Vorstand der Uniqa. Gerade in diesem kompetitiven Umfeld sei es daher für Unternehmen umso wichtiger, dass die „Employer Brand“ am Markt als attraktiv wahrgenommen wird. So entscheiden sich viele Studenten schon während des Studiums für eine Karriere in einem bestimmten Unternehmen, das am stärksten ihre Wertewelt vertritt. Daher investieren die meisten großen Unternehmen viel in die Kooperation mit Universitäten und Fachhochschulen mit z. B. Karrieremessen an Hochschulen.
Auch soziale Medien werden immer stärker von Kandidaten zur Jobsuche genutzt. Eine Studie von Randstad Employer Brand Research aus 2022 zeigt, dass sich die Nutzung sozialer Medien wie Facebook, Twitter, LinkedIn und Xing bei der Jobsuche allein seit 2021 zumindest in Deutschland mehr als verdoppelt hat, und zwar von zehn auf 21 %. Bewerber suchen also verstärkt ihre Stellen dort, wo sie sich in der Freizeit auf-halten, analysiert die Studie. Dies haben mittlerweile auch die Unternehmen erkannt. Stelleninserate werden in den sozialen Medien geteilt. Immer mehr Unternehmen nutzen Social Media auch für die gezielte und direkte Ansprache von Kandidaten (Active Sourcing). So wie z. B. die VIG, die verstärkt auf Active Sourcing über LinkedIn und Xing setzt.
Kampf gegen Fluktuation
Die guten Mitarbeiter der Generation Z (junge Menschen, die zwischen den Jahren 1995 und 2010 geboren sind, Anm.) zu halten ist jedoch nicht allein mit flexiblen Dienstplänen und Arbeitszeiten oder der gesellschaftlichen Auswirkung der Arbeit zu erreichen. Schlussendlich ist die neue Generation wechselwilliger als ihre Vorgänger. Viele Studien zeigen diesbezüglich, dass gute Mitarbeiter weder den Job noch das Unternehmen verlassen, sondern die eigene Führungskraft. „Will man Fluktuation verringern, gilt es also die Führungskraft zu stärken. Das geschieht am effektivsten durch sehr sorgsame Auswahl von Führungskräften und gute HR-Begleitung“, so Baumgartner-Foisner abschließend.
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