Die Zinswende ist angekommen
Fixed Income gewinnt an Attraktivität, so die Erste Asset Management.
Harald Kolerus. Die Konsumenten spüren es jeden Tag in der Geldbörse: Der Krieg gegen die Ukraine und die damit verbundenen Sanktionen lassen die Energiepreise kräftig in die Höhe schießen, als Folgeeffekt wird das gesamte Leben teurer.
Inflation schlägt zu
„Die Inflation ist in der Breite angekommen, denn natürlich leiden z. B. auch der Bäcker, Restaurants und Hotellerie unter den höheren Energiekosten; Produkte und Serviceleistung verteuern sich“, fasst Wolfgang Zemanek, Head of Fixed Income bei der Erste Asset Management (EAM), in einer exklusiven Informations-Veranstaltung zusammen. Der Börsen-Kurier war dabei.
So ist zum Beispiel alleine der Bereich Lebensmittel in Europa im Juli verglichen zum Vorjahr um satte 10,4 % gestiegen. Um die gefährliche Inflations-Entwicklung einzudämmen, steuern die Notenbanken dies- und jenseits des Atlantiks entgegen: „Sie stehen nach der sehr expansiven Geldpolitik der letzten Jahre, unter anderem aufgrund der der Covid-Pandemie, auf der Bremse und nehmen über die Zinspolitik Liquidität aus dem Finanzkreislauf“, so Zemanek. Wobei die Emerging Markets bereits vor rund eineinhalb Jahren damit begonnen haben, die Zinssätze in die Höhe zu schrauben, es folgte zum vergangenen Jahreswechsel die Fed, die EZB hat gerade erst mit entsprechenden Schritten begonnen.
Zinsen gehen weiter rauf
Der EAM-Experte kommentiert: „Nach meinem Geschmack hat die EZB etwas zu zurückhaltend agiert, jetzt handelt sie aber. Ich halte einen weiteren Zinsschritt im September für durchaus wahrscheinlich, auch um 50 Basispunkte.“ Die Zinswende ist jedenfalls gekommen, um zu bleiben, auch wenn sich die Dynamik in den Schwellenländern verlangsamen wird, immerhin sind sie auch als erste gestartet. Die Fed wird mit Zinsschritten nach oben fortfahren, auch wenn das die Arbeitslosenzahlen erhöht. Das ist sogar ein gewünschter Effekt, den der Jobmarkt ist in Übersee bereits überhitzt. In den USA ist bis Jahresende ein Leitzins von 3,75 % eingepreist, in der Eurozone liegen die Markterwartungen bei 1,25 bis 1,5 %.
Das Ganze gleicht natürlich einem Balance-Akt, denn wichtige Indikatoren wie das Konsumentenvertrauen deuten auf eine abgeschwächte Wirtschaftsdynamik hin. Das Rezessions-Gespenst schwebt wieder einmal im Raum. Zu hohe Zinssätze könnten die Konjunktur weiter beschädigen, wobei Zemanek es für unwahrscheinlich hält, dass das neue Zinsregime zur Rezession führen wird: „Viel entscheidender wird die Entwicklung der Energiepreise sein.“
Neue Investmentchancen
Die Zinswende sorgt jedenfalls auch für geänderte Rahmenbedingungen an den Kapitalmärkten: Während die höheren Geldmarktzinsen für einige Asset-Klassen (wie Aktien) für Gegenwind sorgen, könnte es am Anleihenmarkt wieder interessante Chancen geben.
Zemanek: „Anleihen sind im Vergleich zu anderen Assets heute deutlich attraktiver als vor einem Jahr.“ Das gelte sowohl für ausgewählte Staatsanleihen als auch für Corporate Bonds. So haben Unternehmensanleihen mit Investment-Grade rein nominell, also vor Betrachtung der Inflation, relativ hohe Rendite-Niveaus von 2 bis 3 %
erreicht. Bei hoch rentierenden High-Yields liegen die Rendite-Niveaus sogar zwischen 6 und 8 %.
Sparbuch? Bitte warten
Der Börsen-Kurier wollte von dem Experten auch wissen, wann es am Sparbuch wieder attraktive Zinsen geben wird? Zemanek: „Das hängt davon ab, wie man attraktiv definiert. Wenn die Notenbanken weiter erhöhen, werden auch die Zinsen am Sparbuch steigen.“ Wann und auf welches Niveau kann der Experte allerdings nicht seriös vorhersagen.
Foto: AdobeStock / Sport Moments