Knalleffekt: EIOPA unterbricht Konsultation
Erstmals gesteht eine europäische Institution ein, dass beim Grünen Deal nicht alles nach Plan läuft.
Andreas Dolezal. Bekanntlich müssen seit 2. August 2022 gemäß MiFID II und IDD die Nachhaltigkeitspräferenzen von bestehenden und neuen Kunden abgefragt werden. Dazu hat die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen EIOPA am 12. April 2022 einen Entwurf von Leitlinien veröffentlicht, in dem sie sich mit vielen Details dieser Abfrage beschäftigt. Am 20. Juli 2022 hat die EIOPA den Konsultationsprozess jedoch unterbrochen. Mit bemerkenswerten Erkenntnissen.
Die Ausführungen der EIOPA im Leitlinien-Entwurf sollen Versicherungen und Versicherungsvermittlern dabei helfen, die neuerdings verpflichtende Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen korrekt umzusetzen. Nachdem der knappe Gesetzeswortlaut im Kern nur 133 Wörter umfasst, soll der Leitfaden sowohl Marktteilnehmern als auch nationalen Aufsichtsbehörden als Richtschnur dienen.
Während der Leitlinien-Entwurf der europäischen Markt- und Wertpapieraufsichtsbehörde ESMA weiterhin diskutiert wird, hat die EIOPA am 20. Juli 2022 mitgeteilt, dass sie die öffentliche Konsultation unterbrochen hat, weil mehrere Marktteilnehmer die Notwendigkeit eines einfacheren und benutzerfreundlicheren Dokuments betont hätten.
Aufhorchen lässt die EIOPA mit einleitenden Erkenntnissen, wie den Folgenden (unverbindliche Übersetzung ins Deutsche): Wichtige Regulierungsinitiativen zur Ermittlung und ordnungsgemäßen Offenlegung von Investitionen in nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten, auch im Rahmen der EU-Taxonomie, sind noch nicht abgeschlossen. Diese Angaben sind für Versicherer und Versicherungsvermittler von entscheidender Bedeutung, um zu beurteilen, ob die angebotenen Produkte den Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden entsprechen.
Einige der Vorschriften sind noch nicht fertiggestellt, und die Umsetzung dieser Initiativen erfolgt nicht zu denselben Zeitpunkten, insbesondere liegt das Datum für die Anwendung der neuen Rechtsvorschriften im Rahmen der IDD vor den Fristen für die Meldung von Unternehmensdaten (…).
Die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen gesteht also ganz offiziell ein, was Finanzdienstleister – die sich seit Monaten unter Einsatz von viel Zeit und Geld auf die Umsetzung der Abfrage vorbereiten – bereits seit langer Zeit wissen: Das Ziel der Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen ist unerreichbar, weil die Regelwerke der EU ebenso unvollständig sind, wie sie in der vollkommen falschen Reihenfolge in Kraft treten.
Diese Erkenntnisse dringen spät, um nicht zu sagen zu spät, auf europäische Ebene durch. Bemerkenswert sind sie dennoch. Gesteht doch erstmals eine hohe europäische Institution ein, dass mit dem Grünen Deal und den großspurigen Plänen für ein nachhaltiges Finanzwesen etwas falsch läuft. Ersonnen und postuliert sind grüne politische Ziele schnell, das Schaffen der gesetzlichen Rahmenbedingungen ist augenscheinlich eine viel schwierigere Aufgabe. Ganz zu schweigen vom Umsetzen in die Realität.
Die EIOPA hält fest, dass Versicherer und Versicherungsvermittler auf Basis der derzeit verfügbaren Daten verantwortungsbewusste Angaben zur Nachhaltigkeit machen und sich nach besten Kräften um eine gute Datenqualität bemühen müssen. Darüber hinaus sind die EIOPA Leitlinien aber nicht verbindlich.
Es bleibt abzuwarten, ob die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA für den Wertpapierbereich zu ähnlich ehrlichen Erkenntnissen gelangt. Noch wird deren Leitlinien-Entwurf konsultiert.
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