Was ist mit der Volksrepublik los?

China fällt als Wachstumslokomotive aus. Lockdowns, Hitzewelle und Dürre belasten.

Michael Kordovsky. Infolge der Corona-Lockdowns in Shanghai und Peking verlangsamte sich vom ersten auf das zweite Quartal das BIP-Wachstum Chinas von 4,8 auf 0,4 %. Das verschärfte die globalen Lieferkettenunterbrechungen. Konkret musste Shanghai als wichtigste Wirtschaftsmetropole des Landes im April und Mai 2022 erneut zwei Monate in einen harten Lockdown gehen. Auch der Hafen war gesperrt. Noch immer steckt dies den Chinesen als Schock in den Knochen.

Die Angst vor spontanen Abriegelungen von Einkaufszentren, Restaurants und Kinos durch die Regierung hält die Bevölkerung vom Ausgehen und Shoppen ab – mit entsprechender Auswirkung auf die Umsätze des Einzelhandels, die im Juli gegenüber dem Vorjahr nur noch um 2,7 % wuchsen, nach 3,1 % im Juni. Einbrüche gab es in den Handelssparten Bekleidung, Möbel und Baumaterialien. In den ersten sieben Monaten 2022 waren die Einzelhandelsumsätze gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 0,2 % rückläufig.

Industrieaktivitäten nahe der Kontraktionsgrenze
Lieferkettenprobleme durch Absperrungen und natürlich auch der schwache Privatkonsum sowie nicht ausgeführte Exportorders bremsten die Dynamik der chinesischen Industrieproduktion, die im Vorjahresvergleich in den Monaten Juni und Juli nur noch um jeweils 3,9 bzw. 3,8 % wuchs.

Auch die Stimmung der Führungskräfte der Industrie hält sich in Grenzen. Als Aktivitätsindex zeigt der Caixin-Index der Einkaufsmanager für private Industriebetriebe, der zwar im Juni noch ein 13-Monatshoch bei 51,7 Punkten markierte, bereits im Juli eine Talfahrt auf 50,4 Punkte. Damit liegt er nur noch hauchdünn über der Kontraktionsgrenze von 50 Punkten. Betriebe stellen weniger Personal ein. Die Teilkomponente für Beschäftigung war nämlich bereits vier Monate in Folge rückläufig, was auf den stärksten Beschäftigungseinbruch seit April 2020 hindeutet.

Hinzukommen strukturelle Probleme, die sich zunehmend als Wachstumshürden zeigen (werden). Dazu zählen sozialistische verkrustete Wirtschaftsstrukturen genauso wie die demographischen Folgen der Ein-Kind-Politik. Zahlreiche unrentable Betriebe werden aufgrund der Beschäftigung von Mitarbeitern am Leben erhalten. Der Anteil der Über-65-Jährigen wächst von 12,6 % im Jahr 2020 bis 2030 auf 18,2 % und bis 2050 voraussichtlich auf 30,1 %. Dann liegt der Anteil der 0-14-Jährigen nur noch bei 11,4 % verglichen mit 18 % im Jahr 2020. Dies schmälert dann wegen erhöhter Sozialausgaben des Staates die Spielräume für zukünftige Konjunkturprogramme.

Klimawandel gefährdet Stromversorgung
Die Nebenwirkungen des Wirtschaftswunders (extrem hoher CO2-Ausstoss) machten sich bereits in der schlimmsten Hitzewelle bemerkbar, die es in China seit den Temperaturaufzeichnungen gab. Nicht nur die Weizenernte in der Provinz Hanan steht auf dem Spiel. Regenmangel und Hitze lassen die Wasserpegel von Flüssen und Seen sinken. In der Folge kann aus Wasserkraft viel weniger Strom gewonnen werden. Gleichzeitig verbrauchen Klimaanlagen viel Strom. In den ersten Städten ist bereits der Strom für Fabriken rationiert worden. Weitere Lieferkettenunterbrechungen zeichnen sich ab.

Der IWF rechnet für heuer in China nur mit 3,3 % Wirtschaftswachstum. Die von der Regierung angepeilten 5,5 % sind in weite Ferne gerückt. Wie stark das Wachstum ausfallen wird, hängt vom Ausmaß staatlicher Konjunkturprogramme in Kombination mit geldpolitischer Unterstützung der Notenbank ab. Zusätzlich eine Rolle spielen Witterung und die globale Handelspolitik.

Foto: Pixabay / kuloser