Best in Class: Ist weniger schmutzig schon nachhaltig?
Auch bei der Vorsorge mittels nachhaltiger Produkte gilt es, genau hinzusehen.
Andreas Dolezal. Nachhaltiges Investieren ist in aller Munde, bei klassischen Geldanlagen ebenso wie bei langfristiger Vorsorge. Die EU-Kommission gießt ihre Ziele und Kriterien für nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten gerade in wortreiche Verordnungen. Auf deren Basis wählen Assetmanager die Zielinvestments, also Aktien und Anleihen, für nachhaltige Finanzprodukte aus. Mit oft überraschendem Ergebnis.
Richtige Richtung
Nachhaltig investieren und vorsorgen ist grundsätzlich eine gute Sache. Assetmanager und Anleger stützen sich dabei meist auf die ESG-Kriterien: Umwelt, Soziales bzw. Gesellschaftliches und gute Unternehmensführung. Noch etwas eingeschränkt sind die vorhandenen EU-Kriterien, die bis dato nur Umweltziele kennen und darauf abstellen, ob eine wirtschaftliche Tätigkeit dem Erreichen eines oder mehrerer Umweltziele dient.
Vorsorge- und Anlageprodukte, die diese Kriterien bei der Auswahl von Zielinvestments für Deckungsstock oder Fondsvermögen berücksichtigen, nennen sich nachhaltige Finanzprodukte. Sie schmücken sich oft mit einem Gütesiegel wie dem österreichischen Umweltzeichen, oder tragen im Sinne der EU-Regularien das Attribut „Artikel 8“ oder „Artikel 9“. Trotzdem finden sich in den Portfolios auch Aktien und Anleihen von Unternehmen wieder, die wir nicht unbedingt als klima- und umweltfreundlich, gesellschaftlich engagiert oder fair wirtschaftend kennen.
Unterschiedliche Ansätze
Des Rätsels Lösung lautet vielfach Best-In-Class-Ansatz. Bei diesem Managementansatz erstreckt sich das Anlageuniversum auf jene Unternehmen, die innerhalb ihrer Region, Branche oder Klasse die besten Leistungen – in unserem konkreten Fall bezüglich Nachhaltigkeit – erbringen. So selektieren Assetmanager zum Beispiel Unternehmen einer Branche, die (erneuerbare) Energie besonders effizient nutzen, Abfall möglichst vermeiden, Weiterbildungen für Mitarbeiter anbieten oder soziale Projekte unterstützen. Jene Unternehmen, die im Branchenvergleich am besten abschneiden, sind dann „Best in Class“.
Der Best-in-Class-Selektionsprozess lässt sich auf alle Branchen und Wirtschaftstätigkeiten anwenden, nicht nur auf jene, die allgemein als „grün“ und nachhaltig gelten, sondern auch auf „schmutzige“ Branchen wie fossile Energieerzeugung, Glückspiel und Waffenproduktion. Auch unter den Öl- und Gasförderern, deren Produkte ja eher als klimaschädlich gelten, gibt es beispiels-weise jene, die weniger Umweltschäden verursachen, ihren Mitarbeitern mehr freiwillige Sozialleistungen bieten und mehr für CO2-Kompensation ausgeben als Mitbewerber. Diese Öl- und Gasproduzenten gelten dann als nachhaltig(er) im Sinne von Best in Class. Manche Assetmanager vermeiden solche offensichtlichen Diskrepanzen durch zusätzliche Ausschlusskriterien.
Argumentiert wird auch damit, dass grundsätzlich jedes Unternehmen, etwa durch das Schaffen von Arbeitsplätzen und das Bezahlen von Steuern und Abgaben, einen Beitrag zur Gesellschaft leistet. Der Best-In-Class-Ansatz soll Unternehmen und Branchen, deren Produkte als klima- und umweltschädlich gelten, auch dazu motivieren, ihre Geschäftstätigkeiten nachhaltiger zu gestalten.
Probleme einfach auslagern?
Zu beobachten ist allerdings, dass Konzerne ihre „schmutzigen“ Geschäftsbereiche verkaufen oder in separate Gesellschaften ausgliedern und sich nur die „grünen“ Tätigkeitfelder behalten. Diese „grünen“ Teilbereiche gelten dann zwar als nachhaltig, der echten Nachhaltigkeit ist jedoch nicht gedient, wenn „schmutzige“ Geschäftsfelder einfach unter anderem Namen mit anderen Eigentümern weiterbetrieben werden.
Nachhaltig orientierte Anleger müssen sich im Klaren sein, dass es weder zu 100 % nachhaltige Unternehmen noch zu 100 % nicht-nachhaltige gibt. Die Realität liegt immer irgendwo in der Mitte sowie im Auge des Betrachters.
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