Schnäppchen am britischen Aktienmarkt?

Trotz der schwierigen Ausgangslage sehen Experten Chancen an der Börse.

Patrick Baldia. Zugegeben: das Umfeld war schon einmal besser für britische Aktien. Die Wirtschaft schwächelt seit geraumer Zeit, die Inflation ist so hoch wie zuletzt vor 40 Jahren, die Stimmung unter den Unternehmen alles andere als berauschend, und in der vergangenen Woche hat die Bank of England (BoE) im Zuge der Zinserhöhung um 0,5 %-Punkte auf 2,25 % erklärt, das Land befinde sich in einer Rezession.

Um das Ganze noch zu unterstreichen hat das britische Pfund am Montag mit 1,035 US-Dollar ein Rekordtief erreicht. Gerade in den vergangenen Tagen hatte sich der Abwärtstrend extrem beschleunigt.

Experten sehen hinter dem Verfall des britischen Pfund in erster Linie die geplanten Steuersenkungen und Entlastungen der Regierung unter der neuen Premierministerin Liz Truss. Ende der vergangenen Woche hat Finanzminister Kwasi Kwarteng ein umfangreiches Paket mit Maßnahmen zur Abfederung der hohen Energiepreise und Steuersenkungen angekündigt und als mittelfristiges Ziel ein BIP-Wachstum von 2,5 % genannt. Das dürfte wohl eher Sorgen um einen Anstieg der Staatsverschuldung befeuert als für Sicherheit gesorgt haben.

Der FTSE 100 stand heuer lange Zeit als einer der wenigen Indizes im Plus und hatte von den Outperformern Fossile Energieträger, Minen, Tabak und Verteidigung profitiert. Noch im August lag die Performance bei rund +2 %. Mittler-weile hat sich das Blatt aber gewendet und seit Jahresbeginn steht ein Minus von fast 5 % zu Buche. Über die vergangenen zwölf Monate hat der FTSE 100 um knapp 9 % verloren. Und schaut man sich die Zehnjahresbilanz britischer Aktien an, so haben sich nur die Emerging Markets schlechter entwickelt.

Energiesektor-Exposure
Der schwierigen Ausgangslage zum Trotz sehen Experten dennoch Chancen am britischen Aktienmarkt. Im aktuellen Finanzmarkt-Barometer von Pictet wird etwa auf die defensiven Charakteristiken des Marktes sowie das Exposure zum Energiesektor verwiesen. Und das schwache britische Pfund sollte die Überseegewinne befeuern. Ein kleines Detail am Rand: Die FTSE-100-Unternehmen fahren drei Viertel ihrer Erträge im Ausland ein. Bei AXA Investment Managers führt man zudem die im Vergleich zu anderen entwickelten Aktienmärkten niedrigen Bewertungen britischer Aktien ins Treffen.

Profitiert hat der Markt lange von Unternehmen, denen die Zinswende aber auch hohen Energiepreisen zugutekamen. Am stärksten gewichtet sind im FTSE 100 mit fast 30 % der Energie- und Rohstoffsektor, gefolgt von Finanzen (17,9 %), Nahrung- und Genussmittel (12,74 %), Handel und Konsum (10,92 %) sowie Chemie, Pharma, Bio- und Medizintechnik (8,68 %). Zur Veranschaulichung: Technologiewerte haben einen Anteil von gerade einmal 3,80 % im FTSE 100.

Wo sind Gelegenheiten?
„Die interessantesten Aktien sind nicht in den Top 100 zu finden, sondern in den Small- und Mid-Cap-Bereichen, in denen weiterhin Fusionen und Übernahmen getätigt werden“, meint Chris Iggo, CIO Core Investments AXA Investment Managers, um hinzuzufügen: „Wenn das Wachstum durch fiskalische Anreize der Regierung angekurbelt werden kann, sind möglicherweise weitere Schnäppchen zu machen.“

Aktuell haben Experten unter anderem Barclays, Legal & General, Shell und AstraZeneca auf der Rechnung. Für all jene, die lieber breit gestreut auf das Thema britische Aktien setzen möchten, könnte ein Fonds wie der „BNY Mellon UK Opportunities“ (ISIN: GB0031189888) oder der „Blackrock United Kingdom“ (LU0011847091) interessant sein.

Zu den ETF-Ideen gehören wiederum der „HSBC FTSE 100 UCITS ETF GBP“ (IE00B42TW061), „Xtrackers FTSE 100 UCITS ETF 1C“ (LU0838780707) sowie der „iShares Core FTSE 100 UCITS ETF (Dist)“ (IE0005042456).

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