Brasiliens Wirtschaft zeigt sich resistent

Im Gegensatz zur Politik weist der Aktienmarkt eine robuste Verfassung auf.

Roman Steinbauer. Der politische Machtkampf in Brasilien überlagert im größten süd-amerikanischen Land eine teils solide ökonomische Resistenz. Vom Ergebnis der Präsidentenwahl (das Staatsoberhaupt ist seit der Gründung der Republik im Jahr 1889 zugleich Regierungschef) sind keine tiefgreifenden, unerwarteten Strukturänderungen rund um den Amazonas zu erwarten. Hatte der Wahlsieger Luiz Inácio Lula da Silva doch bereits von 2003 bis 2011 das mächtigste Amt Brasiliens inne. Die attraktive demographische Entwicklung (laut dem Datenportal Statista betrug das Durchschnittsalter der Bevölkerung in 2021 32,8 Jahre) verspricht langfristig weiterhin eine hohe Konsumentennachfrage.

Energie- und Rohstoffwerte stützen
Weit solider als die politische Polarisierung es vermuten lässt, zeigt sich in dem 214 Mio Einwohner zählendem Staat der Aktienmarkt. Der führende Wertpapier-Index Bovespa verlor in einem global schwachen Umfeld seit dem Rekordstand vom Juni des Vorjahres bloß ein Zehntel des Wertes. Verantwortlich für die robuste Entwicklung der involvierten Werte ist in erster Linie die Zusammensetzung der Branchen. Ob führende Rohstoffkonzerne wie Vale (ISIN: BRVALEACNOR0), der Ölriese Petrobras (BRUSIMACNPA6) oder auch Vertreter der Stahlindustrie wie Gerdau (BRGGBRACNPR8) – sie stehen nahe an Spitzennotizen. Dazu macht sich die Dominanz der Energiegesellschaften wie Companhia Paranaense der Energia (BRCPLEACNPB9), Companhia Energetica de Minas Gerais (BRCMIGACNPR3), Centrals Eletricas Brasileiras (BRELETACNOR6) bemerkbar. Nur gering im Hintertreffen befinden sich Wertpapiere der Petrochemie bzw. Kunststoffindustrie wie Braskem (BRBRKMACNPA4) oder jene der Finanzinstitute wie der Banco Bradesco (BRBBDCACNPR8) oder der Beteiligungsholding Bradespar (BRBRAPACNPR2). Aktien der genannten Unternehmen werden durchwegs in Form von ADRs (American Depositary Receipts; das sind Hinterlegungsscheine für Original-Aktien) auch an den Börsen Frankfurt oder Stuttgart gehandelt.

Profitierender Real
Im Gegensatz zu früheren krisenhaften Zeitabschnitten überflügelte der brasilianische Real (BRL) im Jahr 2022 sogar den US-Dollar. Waren zu Jahresbeginn noch 5,6 BRL per USD zu berappen, sind aktuell nur noch 5,1 BRL aufzuwenden. Gegenüber dem Euro erstarkte dieser eklatant um 20 %. Die Inflation ermäßigte sich in Brasilien auf Jahresbasis seit Juli (11,9 %) auf 7,2 % im September. Damit liegt der Leitzinssatz aktuell um mehr als 6 % über der Teuerungsrate. Denn die Zentralbank ging bereits früh entschlossen gegen galoppierende Preise vor und hob diesen binnen eines Jahres in mehreren Schritten von 2 auf zuletzt 13,75 % an. Die Handelsbilanz ist (vor allem durch die Agrarexporte) konstant positiv. Das Industrieministerium in Sao Paolo wies hierzu für Oktober einen Überschuss von 3,92 MrdBRL (umgerechnet 784 Mio€) aus. Verhalten präsentiert sich die Industrieproduktion. So verzeichnete das Statistik-Ministerium (IBGE) im September auf Jahresbasis einen mageren Zuwachs um 0,4 %. Hier ist anzumerken, dass die Fertigungen zwischen November 2021 und April 2022 jeweils noch zwischen 4 und 6 % einknickte. Von der Beschäftigungsfront kommen indessen positive Daten. So sank die Arbeitslosenquote im September mit 8,7 % auf den tiefsten Stand seit April 2016. Im Verhältnis zu vielen europäischen Staaten nimmt sich die brasilianische Netto-Staatsverschuldung (finanzielle Vermögenswerte der Republik sind abgezogen) mit 58 % des BIP (Angaben der Banco Central do Brasil) moderat aus.

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