Schweiz – Fels in der Brandung

Ein Kommentar von Birgitte Olsen, der Leiterin des Bellevue Entrepreneur Teams.

Red. Im Vergleich zur Eurozone ist die Lage in der Schweiz mit einem relativ moderaten Inflationsniveau von 3 % weitaus weniger problematisch. Ein rigoroses Entgegenwirken der SNB nach dem aktuellen Zinsschritt auf 1 % ist somit wahrscheinlich nicht erforderlich. Das Wirtschaftswachstum für 2023 wird sich von rund 2 % in 2022 erstmal abschwächen und sich in einer Spanne von 0,5 bis 0,8 % bewegen. Ein Rezessionsszenario dürfte vermieden werden.

Größte Treiber der eidgenössischen Wirtschaft ist der Dienstleistungssektor, und dieser verhält sich durchaus respektabel. So befindet sich der Dienstleister-Einkaufsmanagerindex in November mit einem Niveau von 53,5 immer noch im Expansionsmodus und weit über den 48,5 Punkten im Euroraum. Der Arbeitsmarkt bleibt stark und fast jedes dritte Unternehmen verzeichnet offene Stellen. Private Haushalte sollten nach der Post-Covid-Aufholjagd von 2022 im nächsten Jahr ihre Ausgaben etwas mäßigen, der Konsumtrend bleibt jedoch positiv. Der Lackmustest dazu erfolgt im 1. Quartal 2023, wenn die Haushalte ihre, wohl angekündigten, erhöhten Stromrechnungen zu Augen bekommen.

Nichtsdestoweniger sind die Schweizer Unternehmen als Europas „Werkbank“ der europäischen und insbesondere der deutschen Konjunktur ausgesetzt. Die externe Nachfrage wird 2023 schwächeln und der Industriesektor könnte dies zu spüren bekommen.

Auftragsbücher auf Rekord hohem Niveau
Eine Besonderheit bilden die extrem vollen Auftragsbücher der Industrieunternehmen. Störungen entlang der Logistik- und Lieferketten haben in den letzten zwei bis drei Jahren eine reibungslose Produktion verunmöglicht. Zuerst durch Covid und die Lockdowns, dann durch den Krieg in der Ukraine kam es zu einer zunehmenden Diskrepanz zwischen Angebot und der boomenden Nachfrage. Auch Schweizer Unternehmen berichten, wie die Organisation der Produktion zur täglichen Herausforderung geworden ist. In der Folge konnte seit mehreren Quartalen nicht das geliefert werden, was ursprünglich bestellt worden ist. Aktuell beträgt z.B. der Auftragsbestand im deutschen verarbeitenden Gewerbe laut IFO fast fünf Monate, dies verglichen mit ei-nem historischen Durchschnitt von 2,9. Das bedeutet, dass das Aktivitätsniveau hoch bleiben kann, auch wenn der kommende Bestelleingang sich normalisiert und einen gewissen Schutz vor der sich verlangsamenden Wirtschaft bietet.

Innovation schützt
Zum 12. Mal in Folge belegte die Schweiz den ersten Rang im Global Innovation Index, welcher jährlich von der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) veröffentlicht wird. Innovation, Agilität sowie eine stabile politische und wirtschaftliche Lage schaffen ein bestmögliches Umfeld für den nachhaltigen Erfolg von Schweizer Unternehmen. Um trotz der starken Währung und den höheren lokalen Kosten kompetitiv zu bleiben, haben Schweizer Unternehmen es verstanden, auf Innovation zu setzen, denn diese verleiht Preissetzungsmacht, mehr Wachstum und eine höhere Profitabilität. Insbesondere kleinkapitalisierte und eigentümergeführte Unternehmen stehen in ihrer Nische häufig an der Spitze des internationalen Wettbewerbs. Starke Bilanzen, ein hohes Kostenbewusstsein, langfristige Perspektive und effiziente Managementstrukturen zeichnen dieses Segment aus.

Stock Picking
Die diesjährige Marktkorrektur ist vorwiegend auf eine Anpassung des Kurs-Gewinn-Verhältnisses (KGV) nach unten aufgrund des höheren Zinsniveaus zurückzuführen. Dieser „Reset“ war durch-aus notwendig, da die Zinslandschaft der letzten zehn Jahre für stark expandierende KGVs gesorgt hatte. Die Inflation bzw. die langfristigen Zinsen scheinen sich auf aktuellem Level zu stabilisieren und werden in der nahen Zukunft nicht mehr als Treiber der Bewertung dienen. Einzig der Erfolg der unternehmerischen Strategien und die Gewinn- und Cashflow-Entwicklung wird zum Katalysator der Aktienperformance.

Zu unseren bevorzugten Megatrends zählt der globale Infrastruktur-Investitionszyklus. Die nächste Dekade bringt einen Umbruch mit sich. Nach Jahren der Globalisierung findet ein Umdenken statt. Die neuen Themen sind: Deglobalisierung, „Reshoring“, Vereinfachung der Lieferketten und mehr Kontrolle über die Wertschöpfung. Das alles bringt einen enormen Bedarf nach Digitalisierung und Automatisierung mit sich. Sehr spannend bleiben ebenfalls die Themen Energiewende und

-sicherheit sowie Elektrifizierung. Der Staat mischt auch kräftig mit und möchte die Energie (Selbst-) Versorgung zukünftig besser sicherstellen. Unternehmen, die dafür Lösungen sowie innovative Dienstleistungen und Technologien anbieten, werden auch in Form von höherer Preissetzungsmacht und weniger Anfälligkeit gegenüber Inflationsrisiken profitieren können. Zu den Schweizer Unternehmen, die in diesem Zusammenhang gut positioniert sind, zählen unter anderen Burckhardt Compression, Huber+Suhner, Gurit, LEM, Infineon, VAT und U-blox.

Peak Inflation und FED Pivot? Mittelfristig Investieren!
Wie steht es nun mit der Inflation? Frachtraten, Metallpreise und Energiekosten sind zwar von ihren Höchstwerten deutlich zurückgekommen, trotzdem braucht es noch Zeit, bis diese Entwicklung Unternehmen wie auch Konsumenten erreicht. Darüber hinaus bekommen die Unternehmen langsam die steigenden Lohnkosten zu spüren, dies jedoch ist viel weniger ein Problem für die Schweizer Wirtschaft, denn hier ist die Lohninflation strukturell tiefer.

Fakt ist, dass Inflation und Leitzinsen in den USA wie auch in Europa etwas weniger schnell steigen. Jerome Powell, der Chef der US-Notenbank, hat sich zuletzt dahingehend geäußert, dass jetzt kleinere Zinsschritte adäquat sind, jedoch sei es verfrüht, an eine Kehrtwende zu glauben. Peak Inflation in den USA könnte somit hinter uns liegen. So bringt jede Krise sein neues Vokabular. 2022 lernen wir „Peak Inflation“ und „FED Pivot“. Das Beobachten und Interpretieren jeder Notenbank Aussage und monatlichen Inflationsdatenpunkten mutiert zur Obsession. Jede kleine Bewegung in die gewünschte Richtung wird von den Märkten gefeiert, jedoch sind das meistens nur kurzfristige technische Reaktionen. Es wird getradet nicht investiert. Angesichts der trüben Nachrichtenlage braucht es etwas Mut mittelfristig zu investieren, aber auf eine zweijahres Perspektive sind viele aktuelle Bewertungen sehr attraktiv für einen selektiven Neueinstieg – auch in der Schweiz.

Bellevue Entrepreneur Swiss Small & Mid
Aktien, die in unsere Fondsportfolios aufgenommen werden, müssen bei den Qualitätsfaktoren – solide Unternehmensfinanzierung, gutes Management und intakte Wachstumsperspektiven – Topwerte liefern. Unser Bellevue Entrepreneur Swiss Small & Mid Fonds positioniert sich klar in dieser Kategorie. Das Portfolio, welches rund 40 Positionen umfasst, zeigt folgende qualitative Eigenschaften: Tiefe Verschuldung (Net Debt/Ebitda 0.1x), hohe Ebitda-Marge von 21 % und attraktiver Return on Equity (ROE) von 21 %.

Foto: Bellevue