2023 – zwischen Resilienz und Rezession

Die Kapitalmarktausblick: Selten zuvor gab es so viele Risikofaktoren.

Rudolf Preyer. Alle Jahre wieder blicken Kapitalgesellschaften und deren Expertinnen und Experten in di Zukunft. Wir haben wir einige Prognosen zusammengefasst.

In medias res: Marc Schattenberg, Volkswirt bei Deutsche Bank Research, blickt in seinem Kapitalmarktausblick 2023 „verhalten optimistisch“ auf das kommende Jahr: Die zu erwartende Rezession in den USA und Europa dürfte moderat ausfallen. Die Inflation werde zwar unter anderem aufgrund der Energiepreise voraussichtlich zunächst hoch bleiben; die Leitzinsen sollten jedoch im Sommer ihren Höchststand erreichen. Anleiherenditen in den USA dürften bereits im ersten Halbjahr ihren maximalen Wert erzielen. Die Deutsche Bank erwartet, dass der Renditeanstieg in der Eurozone in der zweiten Jahreshälfte ausläuft. „Aktien bleiben aufgrund niedriger Bewertungen bei stabilen Unternehmensgewinnen eine interessante Anlageoption“, so Schattenberg.

Die Gretchenfrage Aktien
Was Aktien betrifft, empfiehlt Benjamin Melman, Global CIO bei Edmond de Rothschild Asset Management, den Healthcare-Bereich, „da der attraktiv bewertete Sektor vom strukturellen Wachstum profitiert“. Weiterhin „hervorragende Chancen“ bieten auch Unternehmen, die die Big-Data-Revolution vorantreiben.

Konkret wird auch Marcus Poppe, Portfolio Manager Global Equities bei DWS: Die Energiekrise biete „langfristig Rückenwind“ für Energie-Effizienz-Ermöglicher. Im Hause setze man auf den „Ausgleich zwischen kurzfristigen Chancen und strukturellen Trends“. Europa sei punkto Aktien die „taktisch präferierte Region“.

François Rimeu, Senior Strategist bei La Française AM, hingegen geht davon aus, dass Investment-Grade-Securities 2023 „relativ attraktive Renditen“ bieten könnten. Bei Aktien sei man vorsichtig, ebenso gegenüber dem risikoreicheren Teil des High-Yield-Marktes. Die Inflation sei „schwer abzuschätzen“, so frage sich etwa: Wird sich China wieder öffnen und seine Null-Covid-Politik beenden?

Rückschlaggefahren bei Rezession
Laut Erste Asset Management-Chef Heinz Bednar könnte die globale Konjunktur einer erwarteten Rezession entkommen. Nach den Marktkorrekturen sieht er im Jahr 2023 „Potenzial für Fonds“, die Inflation könnte ihren Wendepunkt erreichen, und Anleihen-Renditen – insbesondere die von Unternehmensanleihen – seien „so attraktiv wie schon lange nicht mehr“. Angesichts der „Rückschlaggefahren bei einer Rezession“ seien Investitionen über Fondssparpläne, „wo man sich den Einstiegskurs glättet, eine gute Variante“. Bezahlt machen könnte sich auch eine Anlage in Mischfonds. Wenn der Dollar an Gewinn abgebe, könnte 2023 Gold glänzen.

Clemens Lengauer, Vermögensverwalter Private Banking der Volksbank Vorarlberg, rät bei Aktiengeschäften „in Tranchen“ einzusteigen, weil: „Den perfekten Zeitpunkt erwischt man ohnedies nicht.“ Er beobachte, dass Kunden immer öfter die „Kombination von Dividendenaristokraten und nachhaltiger Veranlagung“ nachfragen.

Milde Rezession in Österreich
Abschließend seien die wichtigsten Erkenntnisse der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) referiert, die noch im alten Jahr die „Gesamtwirtschaftliche Prognose“ für Österreich 2022 bis 2025 präsentierte. „Wenn die deutsche Wirtschaft einen Husten hat, hat die österreichische eine Verkühlung“ – gelte schon lange nicht mehr, so der Leiter des Konjunkturreferats, Gerhard Fenz, in der Pressekonferenz. Der Abschwung werde hierzulande schwächer ausfallen als bei unserem nördlichen Nachbarn, zumal dieser viel stärker vom Wohl und Wehe der chinesischen Wirtschaftsmacht abhängig sei.

Für Österreich erwartet Gouverneur Robert Holzmann einen robusten Arbeitsmarkt und sinkende Strompreise (freilich befeuert durch staatliche Zuschüsse), die Weltwirtschaft werde sich wohl ab übernächstem Jahr wieder erholen.

Konkrete Zahlen: Das heimische Wirtschaftswachstum werde 2023 mit 0,6 % nur schwach positiv ausfallen. An Negativa seien zu vermelden: Im Wohnbau gehe ein langer, ausgeprägter Zyklus mit zuletzt hohen Zuwachsraten zu Ende, und das Wachstum der Wohnbauinvestitionen drehe ins Minus.

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