Agrana-CFO: „In der Wertschöpfung weiter gehen“

Der Konzern erwartet deutlich höhere Ergebnisse und will in Russland bleiben.

Marius Perger. Am Donnerstag der Vorwoche präsentierte Agrana Zahlen zum dritten Quartal (per 30. November 2022) und bestätigte den optimistischen Ausblick. Der Umsatz legte in den ersten drei Quartalen um 26,4 % auf mehr als 2,7 Mrd Euro zu, das operative Ergebnis (ohne Sondereffekte und ohne at equity konsolidierte Beteiligungen) stieg sogar um 77 % auf knapp 122 Mio Euro. Das Konzern-Ebit reduzierte sich gegenüber dem Vorjahreszeitraum allerdings um 33,9 % auf etwas mehr als 50 Mio Euro. Hauptgrund dafür waren außerordentliche Abschreibungen im Segment Frucht aufgrund des Ukraine-Krieges in Höhe von 91,2 Mio Euro, die im zweiten Quartal vorgenommen wurden.

Dennoch erwartet Finanzvorstand Stephan Büttner (Foto) im laufenden Geschäftsjahr einen Anstieg des Ebit um mehr als 50 %, wie er im Exklusivinterview mit dem Börsen-Kurier betonte. Denn im vorigen Geschäftsjahr, das mit 28. Feber 2022 abgeschlossen wurde, waren noch im vierten Quartal Sonderabschreibungen von 75 Mio Euro vorgenommen worden, was das Ebit auf 24,7 Mio Euro gedrückt hatte. Und das Ebit-Ziel von 37 Mio Euro werde man heuer jedenfalls deutlich übertreffen, betont Büttner, zumal das operative Ergebnis „deutlich über dem Vorjahr“ liegen werde.

Positiv wirke sich auch aus, dass Wertberichtigungen für Vorräte und Forderungen in der Ukraine in Höhe von 1,4 Mio Euro zum Teil wieder aufgelöst werden konnten: Der Geschäftsverlauf in der Ukraine und in Russland habe sich positiver dargestellt als ursprünglich erwartet, so Büttner.

Wichtige Märkte Ukraine und Russland
Im Geschäftsjahr 2021/22 hatte Agrana in der Ukraine mit 801 Mitarbeitern einen Umsatz von 40,5 Mio Euro und in Russland mit 289 Mitarbeitern 60 Mio Euro Umsatz erwirtschaftet.

In der Ukraine ist die Agrana dabei in zwei Geschäftsfeldern tätig. Im Bereich der Fruchtsaftkonzentrate sei die Verarbeitungskampagne, die von September bis November läuft, gut verlaufen, so Büttner; als die Energieversorgungsprobleme in der Ukraine durch russische Angriffe begannen, sei man bereits fertig gewesen. Auch die Verbringung der Konzentrate nach Europa habe ohne Probleme funktioniert. Der zweite Bereich, die Fruchtzubereitung, verlaufe in reduziertem Ausmaß, so Büttner. Und er betont, dass es auch im Land weiterhin einen Bedarf nach den Produkten gebe, Hauptabnehmer seien Molkereien. Insgesamt müsse man in der Ukraine zwar signifikante Umsatz- und Ertragseinbußen hinnehmen, das Jahr werde man aber positiv abschließen.

Was Russland betrifft, verstehe sich Agrana als Teil der dortigen kritischen Infrastruktur. Man versorge die Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln, beliefere aber keine staatsnahen Institutionen und halte sich selbstverständlich an alle Sanktionen; das russische Tochterunternehmen sei “auf sich selbst gestellt“. Schließlich habe Agrana auch für die russischen Mitarbeiter Verantwortung. Es sei aber eine Grundsatzfrage, ob man mit so einem Land etwas zu tun haben will: „Wir können nicht sagen, das geht uns nichts an.“ Der Vorstand befinde sich hier in einem Spannungsfeld: Es sei nötig, die beste Entscheidung für das Unternehmen, auch für seine Aktionärinnen und Aktionäre, zu treffen und man dürfe nicht voreilig dem Mainstream nachlaufen. Gleichzeitig sei aber klar, dass man nicht alles akzeptieren kann. Grundsätzlich wolle Agrana in Russland bleiben, verfolge aber die Situation sehr genau.

Geopolitische Risiken
Man müsse zur Kenntnis nehmen, dass man als global tätiges Unternehmen nahezu immer betroffen sei, sagt Büttner. Im Wesentlichen sei man „aber immer negativ betroffen“, denn wenn etwas „super läuft“, so wie derzeit in Mexiko, werde dies als gegeben wahrgenommen. Dabei werde vergessen, dass eine globale Aufstellung auch Vorteile hat: einen breiten Kundenzugang, eine geografische Diversifizierung ohne Klumpenrisiken und viele Opportunitäten, die man allerdings nutzen und managen müsse.

Als konkrete Risiken nennt Büttner die Energieversorgung in Europa, die Corona-Infektionen vor allem in China und Korea sowie den Arbeitsmarkt in den USA. Zwar gebe es augenblicklich eine gewisse Entspannung bei der Energie, es stehe aber die Wettbewerbsfähigkeit Europas auf dem Spiel. Auch die Inflation spiele eine Rolle, seit dem dritten Quartal bemerke man erste Anzeichen für Absatzrückgänge. Von einer Rezession wäre Agrana wahrscheinlich positiv und negativ betroffen: „Essen tun die Leute immer – die Frage ist nur: was?“ Es würde vermutlich zu einer Verschiebung zu günstigeren Produkten kommen, manche Produkte des Konzerns seien aber konsumlastig und würden – wie zum Teil in der Zeit der Corona-Lockdowns – davon profitieren, wenn die Menschen weniger Restaurants besuchen. Und schließlich könnte ein Konflikt zwischen China und Taiwan negative Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben.

Strategie mit Schwerpunkt Nachhaltigkeit
Derzeit sei man noch in der Phase, das bestehende Geschäft zu optimieren, so Büttner. Dabei gehe es um Effizienz, Kundenorientierung und Organisationsstruktur. Wesentlicher Baustein der Strategie sei die Diversifizierung der Geschäftsbereiche, wichtig sei es auch, von den Volatilitäten des Commodity-Geschäfts wegzukommen. Dafür müsse man in der Wertschöpfung weiter gehen, bis hin zum „Lösungsanbieter“, beispielsweise mit integrierten, nicht so leicht austauschbaren Produkten.

Ein Schwerpunkt sei Nachhaltigkeit, betont Büttner. Derzeit betrage der „Fußabdruck“ des Konzerns 5 Mio Tonnen CO2, 80 % davon seien allerdings Scope 3 (Emissionen in der Lieferkette) zuzurechnen und würdenvor allem aus landwirtschaftlichen Rohstoffen stammen; nötig sei deshalb ein Zusammenwirken mit der Landwirtschaft für mehr Nachhaltigkeit. Auch für Scope 1 und Scope 2 (direkte und indirekte Emissionen des Unternehmens) gebe es eine „klare road map“: Geplant seien bis 2040 mehr als 400 Mio Euro Investitionen, um das Ziel „zero emission“ zu erreichen. Ein Treiber für die Nachhaltigkeitsbestrebungen sei auch die financial community, à la longue werde man ansonsten keine Finanzierungen mehr bekommen, ist Büttner überzeugt. Aller-dings handle es sich dabei durch-aus um einen Balanceakt, denn die Wettbewerbsfähigkeit leide und irgendwer müsse das alles auch bezahlen.

Foto: Agrana