Die Folgen der Honorarberatung
Die EU will Provisionen abschaffen. Das hätte Konsequenzen.
Klaus Schweinegger. Die Aufregung in der Finanzberaterbranche ist groß. Die Europäische Union in Person von Finanzkommissarin Mairead McGuinness will das klassische Provisionssystem für die Vermittlung von Finanzprodukten noch heuer kippen. Was zunächst sehr konsumentenfreundlich klingt, hätte aber weitreichende Auswirkungen.
Der Börsen-Kurier sprach zu diesem Thema mit Christian Nuschele, er ist Head of Distribution and Marketing für Deutschland und Österreich beim Lebensversicherer Standard Life.
Börsen-Kurier: Herr Nuschele, Ihr Unternehmen stammt ursprünglich aus Großbritannien. Vor zehn Jahren hat man dort das Provisionsverbot eingeführt. Welche Auswirkungen hatte das auf die Finanzberatungsbranche und vor allem die Qualität der Beratung auf der Insel?
Christian Nuschele: Die Einführung des Provisionsverbotes hatte in Großbritannien sehr ambivalente Auswirkungen. Positiv zu beurteilen ist, dass die Qualifizierung und Professionalisierung der britischen Berater deutlich zugenommen hat und damit auch die Qualität der Beratung gestiegen ist. Auch die Transparenz hat sich noch einmal erhöht. Negativ ist demgegenüber, dass eine Beratungslücke („advice gap“) entstanden ist. Der Großteil der Bevölkerung kann oder will sich die Honorarberatung nicht leisten. Laut den letzten Berechnungen werden aktuell gerade einmal acht Prozent von unabhängigen Beratern beraten.
Börsen-Kurier: Das heißt aber, dass das Gros der Bevölkerung von professioneller Beratung inklusive Best-Advice-Prinzip ausgeschlossen wäre und sich auf Produkte der Hausbank oder kostenlose Tipps aus dem Internet bei komplexen Themen wie der persönlichen Vorsorge und Geldanlage verlassen müsste.
Nuschele: Für mehr als 90 % der britischen Bevölkerung muss man das leider bestätigen. Wobei man gleichzeitig sagen muss, dass es vor Einführung des Provisionsverbotes nur 13 % der Bevölkerung waren, die sich aktiv Beratung gesucht haben.
Fakt ist, dass sich die unabhängigen Berater in Großbritannien auf vermögende Kundinnen und Kunden fokussieren. Die übrigen Kunden schließen zum einen direkt online ab, was meistens ohne Beratung geschieht, weil sich auch in Großbritannien das Thema „Robo Advice“ noch nicht durchgesetzt hat. Eine zweite Möglichkeit ist die betriebliche Altersvorsorge. In Großbritannien wurde eine verpflichtende betriebliche Altersvorsorge mit Opt-out-Möglichkeit eingeführt, die gerade von Menschen mit geringeren Einkommen sehr oft genutzt wird.
Börsen-Kurier: Aber was spricht aus Ihrer Sicht gegen die Wahlfreiheit des Kunden, wie sie auch der Fachverband vorschlägt?
Nuschele: Gar nichts. Ich teile diese Auffassung zu 100 %. Wichtig ist mir aber in diesem Zusammenhang zu erwähnen, dass es aus meiner Sicht auch keinen Grund für ein Provisionsverbot gibt. Die häufig genannten Argumente von Fehlanreizen durch Provisionen oder gar Provisionsexzessen kann ich in der breiten Masse nicht erkennen. Unabhängige Berater leisten mit ihrer qualitativ hochwertigen Beratung eine sehr wichtige Tätigkeit, die auch entsprechend vergütet werden sollte – ob in Form einer Provision oder eines Honorars ist aus meiner Sicht von der jeweiligen Situation abhängig.
Börsen-Kurier: Sowohl der deutsche Bundesfinanzminister Christian Lindner wie auch sein österreichischer Amtskollege Magnus Brunner sollen sich dem Vernehmen nach in einem Brief gegen das Provisionsverbot ausgesprochen haben. Was ist Ihre Einschätzung, wie die Diskussion ausgehen wird?
Nuschele: Das ist aktuell nur sehr schwer zu beurteilen. Dass sich inzwischen auch Frankreich gegen ein Provisionsverbot ausgesprochen hat, macht Hoffnung, dass es zu keinem Provisionsverbot kommen wird. Die Diskussion wird aber intensiv weitergehen. Selbst wenn es zu einem EU-Beschluss kommen wird, bleibt immer noch die Frage, inwieweit dies überhaupt mit nationalem Recht oder Europarecht vereinbar ist. Es wird also spannend bleiben.
Foto: Standard Life