Die Zukunft der Hauptversammlung

Florian Beckermann vom IVA über das Seelen(k)leid heimischer Aktionäre.

Rudolf Preyer. Wenn Simmering gegen Kapfenberg Helmut Qualtinger zufolge die wahre Brutalität ist, ist „Präsenz- versus Virtuelle Hauptversammlung“ mit Florian Beckermann auch kein „Lercherl“. Bis zum Beginn der Hauptversammlungssaison im April werden wir uns hier in loser Folge mit dem „Stand der Dinge“ beschäftigen.

Zum Grundsätzlichen: Ein „Nebeneffekt“ der Corona-Pandemie war bekanntermaßen die gesellschaftsrechtliche Covid-19-Verordnung: In den vergangenen zweieinhalb Jahren konnten AGs ihre HV virtuell abhalten. Davon abzugrenzen ist eine hybride Hauptversammlung – vonseiten der Industrie wird darunter sowohl eine Präsenz- als auch gleichzeitig eine virtuelle Veranstaltung verstanden: und zwar dann auch mit den doppelten Kosten. Plus, die Hybridisierung bedeutet auch, dass man den Aktionär so stellt, als ob er quasi auf der HV physisch präsent wäre, und auch digital ad hoc abstimmt.

Dazu Beckermann vom Interessenverband für Anleger (IVA): „Das macht das Narrativ der ‚Hybriden‘ in Österreich teuer – und unerwünscht.“ Denn tatsächlich war der Unmut unter Österreichs Aktionären über virtuelle Formate groß, sehr groß sogar – immer und immer wieder ventilierten sie ihren Ärger und befassten Vorstände und Aufsichtsräte sämtlicher Virtuell-Austräger mit dem Wunsch zur Rückkehr zur Präsenz-HV.

Die „gute, alte Präsenz-HV“ sei schließlich rechtssicher – sie nimmt „alle Aktionäre im Grundsatz mit“, so der geschäftsführende Vorstand des IVA, und ist auch die kostengünstigste Variante.

HV als soziales Phänomen
Der IVA hat schon frühzeitig – in Zusammenarbeit mit dem Börsen-Kurier – eine Umfrage unter Österreichs Aktionären durchgeführt: Damals, also noch mitten im Pandemiegeschehen, kam heraus, dass mehr als 70 % der Befragten die sofortige Rückkehr zur Präsenz-HV haben wollten.

Im Zuge der Virtualisierung haben sich zahlreiche „unerfreuliche Elemente“ eingeschlichen. So ist die aktive Beteiligung des Aktionariats zuletzt massiv gefallen. Überdies finde ja, so Beckermann, eigentlich keine Diskussion mehr statt. Bei virtuellen HVs werden Fragen zwar verlesen, es gibt aber cum grano salis keine Redebeiträge mehr. Auch haben wir in der Corona-Zeit gemerkt, „wie ermüdend solche Veranstaltungen“ sein können. Hinzu käme, dass sich Aktionäre während einer virtuellen HV nicht mehr untereinander beraten können; kurzum: die soziale Interaktion fehle völlig.

Die HV ist tatsächlich das höchste Organ einer Aktiengesellschaft, dem sowohl Aufsichtsrat als auch Vorstand rechenschaftspflichtig sind. „Wie kann denn das sein, dass die Art der Zusammenkunft durch den Vorstand bestimmt wird?“ Abgesehen davon spiele natürlich auch die Thematik „digitale Diskriminierung“ herein (nicht jeder Aktionär ist letztlich „computerfit“).

Freiheit auf Basis der Präsenz
Beckermann plädiert für eine „österreichische Lösung, die bestimmt auch im internationalen Markt sehr attraktiv sein wird“: Auf Basis der Präsenz-HV möchte er digitale Elemente hinzunehmen, die rechtssicher und kostengünstig sind. „Auf dieser Basis werden wieder alle Aktionäre adressiert.“

Kurzum: Der Interessenverband für Anleger will die Freiheit für den Aktionär, dass dieser entscheiden kann, ob er persönlich kommt oder nicht – oder eben virtuell teilnimmt. Der Merksatz hierzu lautet: „Nicht das Unternehmen, der Aktionär hat das zu entscheiden.“

In der Planung für die Hauptversammlungssaison sei dem IVA aktuell bisher keine einzige virtuelle HV bekannt, so Beckermann abschließend: „Ein positives Signal!“

Foto: Pixabay / carmen carbonell