Signifikanter Mehrwert durch ESG
Wie das Chancen-Risiko-Verhältnis bei Geldanlagen verbessert werden kann.
Michael Kordovsky. Weltweit sollte das nach ESG(Umwelt-, Sozial- und Governance)-Kriterien verwaltete Vermögen laut Bloomberg Intelligence (Februar 2021) bis 2025 auf rund 48,6 Billionen Euro wachsen und somit über ein Drittel des verwalteten Gesamtvermögens ausmachen. Mittlerweile sind durch Offenlegungs- und Taxonomie-Verordnung in der EU Anlageberater und Investoren dazu gezwungen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Wachsende Kapitalbeträge fließen in nachhaltige Investments und bereits seit mehreren Dekaden schneiden nachhaltige Firmen wirtschaftlich tendenziell besser ab.
Dazu Josef Obergantschnig, ESG-Berater und Präsident von „Ethico – Verein für Wirtschaft und Ethik“ gegenüber dem Börsen-Kurier: „Die Metastudie von Friede, Busch, Bassen zeigte schon 2015 auf, dass Nachhaltigkeit vor allem in den Emerging Markets einen positiven Performance-Beitrag erwarten lässt.“ Konkrete Resultate aus der Betrachtung von mehr als 2.000 empirischen Studien seit den frühen 1970er-Jahren: Rund 90 % aller Studien zeigten keine negative Wirkung auf die finanzielle Performance von Unternehmen. Mit 65,4 % am höchsten sind die positiven Nachhaltigkeitseffekte in den Schwellenländern, verglichen mit 42,7 % in Nordamerika und 26,1 % in Europa.
„Begründet kann das damit werden, dass europäische, japanische und auch US-amerikanische Unternehmen flächendeckend gewisse nachhaltige Aspekte umsetzen, vor allem was den Governance-Bereich betrifft. In den Emerging-Markets-Ländern sind wesentliche rechtliche Unsicherheiten vorhanden und es ist deutlich mehr ‚Luft nach oben‘ als in den entwickelten Ländern. Das könnte zur Folge haben, dass ESG als Risikomanagement-Tool tatsächlich zu einem signifikanten Mehrwert führt“, erklärt Obergantschnig.
Fakt ist, dass Unternehmen, die soziale, ökologische und Governance-bezogene Aspekte berücksichtigen, deutlich weniger wahrscheinlich in Schieflage geraten bzw. Skandale verursachen. Häufig vernachlässigen ESG-Analysen aber das G-Element. „Das Verständnis von Governance-Risiken und -Chancen bei der Entscheidungsfindung ist jedoch von entscheidender Bedeutung, da schlechte Corporate-Governance-Praktiken den Kern einiger der größten Unternehmensskandale bildeten. Der Skandal um die Abgastests von Volkswagen, der Missbrauch von Daten durch Facebook und andere Vorfälle der letzten Zeit haben diesen Unternehmen erheblichen finanziellen Schaden zugefügt“, erklärt Obergantschnig und ergänzt: „Untersuchungen von S&P Global zu Governance-Faktoren haben gezeigt, dass Unternehmen, die in Bezug auf Good-Governance-Merkmale weit unter dem Durchschnitt liegen, besonders anfällig für Missmanagement sind und ihre Fähigkeit, Geschäftschancen zu nutzen, langfristig gefährden. So war zum Beispiel der Governance-Score von Wirecard bei vielen Research-Agenturen bereits lange vor dem Skandal relativ schwach, da diverse Vorwürfe in Richtung Transparenz und Bilanzierung schon lange vorher bekannt waren.“
Klimafreundlich, sozial und transparent geführt zu sein lohnt sich auch in puncto Börsenwert. Dazu Obergantschnig: „Der Kapitalmarkt gewährt Unternehmen mit besseren Nachhaltigkeitsbewertungen deutlich höhere Multiplikatoren. So ergab eine EY-Analyse für Unternehmen mit exzellentem Nachhaltigkeitsrating einen Bewertungsaufschlag von 2,0 Mal ihres Ebitda gegenüber solchen mit einer schwachen Nachhaltigkeitsperformance.“
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