Wenn Aktien ihre Kraft verlieren

Ein Blick auf einen Sonderfall im Aktiengesetz.

Barbara Ottawa. Bei uns zu Hause hängt die „Konsum-Aktie“ auf der Toilette. Dieser Anteilsschein an der Genossenschaft, die Mitte der 1990er-Jahre Insolvenz angemeldet hat, fällt natürlich nicht unter das Aktiengesetz. Aber genauso wie dieses ehemalige Wertpapier können auch Aktien ihre Gültigkeit verlieren bzw. für kraftlos erklärt werden.

Des Öfteren geschieht dies im Rahmen einer Kapitalherabsetzung. Diese Reduktion des Grundkapitals hilft zum Beispiel entstandene Verluste zu beseitigen. Je nach auf der Hauptversammlung beschlossener Vorgehensweise können hierbei Aktien zum Beispiel kraftlos erklärt werden.

Eines der bekanntesten Beispiele an der Wiener Börse in der jüngsten Vergangenheit war die 2002 von der Börse genommene Libro AG. Im Zuge der Insolvenz hatte das Unternehmen im November 2001 noch eine Kapitalherabsetzung vorgenommen. Dabei wurden alle Aktionäre aufgefordert, alten Aktien zum Umtausch im Verhältnis 134 zu 1 zu hinterlegen. Alle nach einem Stichtag nicht hinterlegten Aktien wurden für kraftlos erklärt.

Gesetzesänderung
Einen ganzen Schwall an kraftlosen Aktien erzeugte in Österreich eine im Jahr 2011 beschlossene Gesetzesänderung. Mit Inkrafttreten des Gesellschaftsrechts-Änderungsgesetzes 2011 („GesRÄG 2011“) mussten sämtliche noch als „effektive Stücke“, also einzelverbriefte Papierurkunden, ausgegebene Aktien vieler an der Wiener Börse notierter Unternehmen in Sammelurkunden verbrieft werden. Besitzer physischer Papieraktien mussten damals ein Depot anlegen und ihre effektiven Stücke gegen Sammelurkunden eintauschen.

Betroffen waren unter vielen anderen die Aktionäre der Andritz AG. Nach einem rechtlich vorgeschriebenen handelsgerichtlichen Kraftloserklärungsverfahren gefolgt von einem Vorstandsbeschluss wurden 21 Aktien der Andritz AG mit Wirkung zum 2. November 2012 als kraftlos erklärt.

Auch etwa der Verbund, der Flughafen Wien und die Lenzing AG mussten damals auf Sammelurkunden umstellen. Letztere hielt 2012 in einer Aussendung fest, dass Besitzer kraftlos erklärter Aktien „Aktionäre der Gesellschaft bleiben“. Sie konnten „jederzeit auch nach Kraftloserklärung bei der Einreichstelle unter Einreichung der für kraftlos erklärten effektiven Stücke die Buchung einer Gutschrift auf ein (…) Wertpapierdepot verlangen“. Danach konnten sie auch wieder Dividenden beziehen und an Hauptversammlungen teilnehmen.

Unter dem Hammer
Manchmal gelangen für kraftlos erklärte Aktien auch zur Versteigerung. Einerseits können das physische Aktien oft älteren Datums sein, die zu Sammlerstücken geworden sind. Oder aber auch die Wertpapiere des Lieblingssportclubs, die in Fan-Sammlungen nicht fehlen dürfen.

Laut Aktiengesetz (§ 179 AktG) müssen „die an Stelle der für kraftlos erklärten Aktien auszugebenden neuen Aktien“ über einen Börsenmakler verkauft werden. Beim Fehlen eines Börsenpreises, etwa durch erfolgtes Delisting, hat eine öffentliche Versteigerung stattzufinden.

Und so kann es im Sonderfall „kraftlose Aktien“ zu einem besonderen Sonderfall kommen: Ende März 2023 wurden 40.183 Aktien einer 2016 von der Börse genommenen AG in Wien versteigert. Es waren dies Anteile an der ehemaligen Nexxchange AG, die seit 2016 nicht mehr börsennotiert ist, aber als GmbH weiterbesteht. Aktionäre, die ihren Aktienbesitz gegenüber der Gesellschaft offengelegt haben, wurden Gesellschafter in der GmbH. Ein Anteil im Firmenbuch in der Höhe von 1 Euro pro nicht reklamierter Aktie blieb frei. Mit der Versteigerung der kraftlosen Aktien en bloc wurde dieser Anteilsposten gefüllt.

Nexxchange war der von 2013 bis 2016 gültige neue Name der ehemaligen IPO Board Net AG. Das Delisting erfolgte laut Auskunft des Gründers Michael Briem gegenüber dem Börsen-Kurier aufgrund von „geringem Interesse der Aktionäre und zu kleine Marktkapitalisierung bzw. zu hohen Kosten“.

Foto: Börsen-Kurier