Auf dauerhaft hohe Zinsen einstellen

Notenbanken-Dilemma: Wie sie‘s mit den Zinsen anstellen, machen sie‘s falsch.

Rudolf Preyer. „Vor einem Jahr hatten wir noch ein Pessimismus-Tief, jetzt haben wir ein Optimismus-Hoch“, eröffnete Gastgeber Alexander Eberan, Leiter Private Banking Wien, vergangenen Dienstag das Expertengespräch zum Thema „Das Dilemma der Notenbankpolitik“ im Foyer der Steiermärkischen Bank und Sparkassen AG. Auch ging es um eine Einordnung der europäischen Kapitalmärkte.

Vor dem Hintergrund der letzten Ereignisse im Bankensektor (Stichwort Krise der US-amerikanischen Regionalbanken) und einer weiterhin hohen Inflation befinden sich die Notenbanken derzeit in einem Dilemma: Erhöhen sie die Zinsen in unverändert hohem Tempo weiter, könnte sich die Vertrauenskrise bei Banken verschärfen – senken sie zu früh, bleibt die Inflation hoch.

Auch dem Anleger fällt es in diesem Umfeld schwer, eine ruhige Hand zu bewahren, so Eberan. Seine Gäste waren bereits vor einem Jahr in dieser Konstellation in der Johannesgasse angetreten.

Value-Aktien im Fokus
Monika Rosen
, langjährige Chefanalystin der UniCredit Bank Austria, ist überzeugt, dass sich die Kerninflation nicht so schnell unter die gewünschten 2 % drücken lässt, „wie sich die Notenbanken das vorstellen“. Wir stünden erst „am Beginn der Bekämpfung“. Als „momentan führenden Bereich“ verwies sie auf den Technologiesektor – im Nasdaq-500 machen aktuell acht Tech-Unternehmen 30 % des Indexvolumens aus, darunter die FANGG-Aktien (Facebook, Amazon, Apple, Netflix und Google, die jetzt als Alphabet firmieren). Diese Tech-Giganten haben KGVs von 30 und höher, „das sind alles noch Wachstumswerte“. Aber: Wenn die Zinsen steigen, sollten die Kurse von Wachstumsaktien fallen. Für die nähere Zukunft sollten mit Rosen „eher Value- und günstigere Aktien das Rennen machen“.

Die Gefahr einer erneuten Finanzkrise sieht Monika Rosen nicht: Man hätte die Lehren aus der Krise 2008 gezogen, als man die Lehman Brothers pleitegehen hat lassen.

Asien als globaler Wachstumstreiber
Carsten Roemheld
, Kapitalmarktstratege bei Fidelity International, erklärte: „Die defensiven Sektoren kommen jetzt!“ Auf Nachfrage dachte er etwa an den Bereich Healthcare. Auch lohne es sich jetzt wieder, in Anleihen zu investieren; etwaige Tiefs im Börsengeschehen im Oktober werden über den Ausgang des Jahresgeschäfts bestimmen. Dieses und nächstes Jahr werden gut 70 % des Weltwachstums aus Asien stammen. Sobald der Dollar seinen Zenit erreicht hat, sollten auch wieder Schwellenländeranleihen sowie Währungen anziehen. Wobei, so ergänzte Rosen, Schwellenländerinvestments durchaus einer gewissen Risikobereitschaft bedürfen.

Zurück zu Asien: China erwachse gerade mit Indien ein großer Konkurrent – nicht umsonst habe Apple-CEO Tim Cook zuletzt zwei riesige Stores in Delhi und Mumbai eröffnet. Allerdings haben die Chinesen in den vergangenen drei Jahren viel Geld gespart, wenig konsumiert, was jetzt der Wirtschaft zugutekommen sollte.

Abschließend bekräftigte Roemheld abermals, dass sich alle, die Geld allokieren, auf dauerhaft hohe Zinsen einstellen müssen.

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