Börsenakteure zum Reizthema HV-Formate

Die Diskussion „virtuell“ oder „in Präsenz“ hat sich noch keineswegs erledigt.

Rudolf Preyer. Wir haben uns weiter umgehört – und O-Töne zum Reizthema „Präsenz- versus Virtuell-Hauptversammlungen“ eingefangen. Für klärende Gespräche konnten wir jetzt zwei Privataktionäre sowie zwei CEOs gewinnen.

Christoph Boschan, Vorstandsvorsitzender der Wiener Börse AG, unterstreicht gegenüber dem Börsen-Kurier zum Thema Hauptversammlungen: „Die Ausübung der Aktionärsrechte muss gewährleistet sein. Das Um und Auf für die Wiener Börse ist die Orientierung an internationalen Standards.“

„Präsenz-HVs trotz Corona“
Friedrich Schopf ist CEO der Linz Textil Holding AG – er verspricht im Gespräch vorneweg, „auch in Zukunft Präsenz-HVs“ abzuhalten. Auf welchen Kurs hat sich diese AG eingeschworen? „Es ist das Anliegen der Aktionäre, persönlich Fragen stellen zu können – und auch vom Management in einem persönlichen Austausch über die Lage des Unternehmens informiert zu werden.“

Was man aus den „Corona-HVs“ gelernt habe? – laut Schopf die Tatsache, dass „trotz strengerer hygienischer Auflagen Präsenz-HVs“ möglich waren: „Es bedarf nur einer guten Organisation. Außerdem haben wir große Dankbarkeit unserer Aktionäre bemerkt, dass auch während Corona Präsenz-HVs abgehalten wurden.“

Wie denkt Schopf über „hybride“ Modelle? Antwort: Ein solches Format stelle die Organisation sowie auch die Moderation vor neue Herausforderungen.

Nach seiner Trendeinschätzung befragt, erklärt Schopf: „Bei den größeren börsennotierten Unternehmen wird sich sicher langfristig die virtuelle HV durchsetzen.“

Der Linz Textil-CEO bekräftigt abschließend: „Wir schätzen den persönlichen Austausch mit unseren Aktionären sehr.“

„Brauchbares Hybridmodell“ benötigt
Ludwig Klim ist ein langjähriger Abonnent des Börsen-Kurier und erfahrener Privatinvestor. Auf die Frage „Warum polarisiert die Frage ‚Präsenz- versus Virtuell-HV‘ Ihrer Meinung nach so stark?“ antwortet er pointiert, dass im virtuellen Fall die Rechte der Aktionäre eingeschränkt werden: „Ad-hoc-Fragen sind dann fast nicht mehr möglich. Auch ist der Meinungsaustausch unter den Aktionären bei virtuellen HVs nicht gut möglich.“

Er, Klim, glaube daran, dass Österreichs Privataktionäre „in der überwiegenden Mehrheit“ für Präsenz-HVs sind. Gleichzeitig spricht er sich aber auch für ein „brauchbares Hybridmodell“ aus: Eine „zusätzliche virtuelle HV parallel zur Präsenz-HV“ sei zu befürworten, „da auch Aktionäre, die geografisch an der Teilnahme eingeschränkt sind, so ihre Rechte ausüben können“.

„Konzentration & Kommunikation“
Alexander Kozlik ist ein bekannter Privataktionär, der als Akteur schon seit Jahrzehnten am heimischen Börsenparkett auftritt.

Er bemängelt etwa, dass es beim virtuellen Format „unnötig kompliziert“ sei, etwa auch Vollmachtsformulare auszufüllen. Er sagt: „Speziell für ältere Menschen ist es schwierig, die Konzentration und die Kommunikation zu halten.“ Wolle man etwa in der Virtuellvariante Nachfragen stellen, sei dies „überaus umständlich“.

Der Börsen-Kurier bleibt selbstverständlich an diesem Thema dran.

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