Ein goldenes Zeitalter
Das begehrte Edelmetall könnte auf 4.800 US-Dollar klettern.
Harald Kolerus. Er wird von „Rohstoff-Bullen“ heiß ersehnt, ist mehr als 400 Seiten stark, erscheint in Deutsch, Englisch, Spanisch und bald auch Chinesisch: Der „In Gold We Trust-Report“ vom liechtensteinischen Vermögensverwalter Incrementum AG. Jetzt wurde er wieder publiziert – mittlerweile zum 17. Mal. Die beiden Autoren und Incrementum-Fondsmanager Ronald-Peter Stöferle und Mark J. Valek präsentierten das schwergewichtige Paper. Es findet übrigens knapp 2 Mio Leser und steht kostenlos zum Download bereit (ingoldwetrust.report).
Inflation stützt Gold
Auf den Punkt gebracht, zeigen sich die Experten optimistisch für Gold, was vielfältige Gründe hat. Ein Argument ist die hohe Inflation, mit richtiger Entspannung wird an dieser Front nicht gerechnet. Auch wenn die Teuerungsraten in den USA und der Eurozone zuletzt gefallen sind, gehen die Autoren davon aus, dass eine weitere Inflationswelle folgen wird (wenn nicht sogar mehrere). Viele Faktoren seien dafür verantwortlich, z. B. demographische Entwicklungen, aber auch der verstärkte Fokus auf die Fiskalpolitik. Stöferle: „Die Geldpolitik tritt in den Hintergrund, zu Gunsten fiskalischer Maßnahmen. Regierungen gefallen sich in der Rolle, kräftig zu spendieren.“ Das treibt natürlich inflationäre Tendenzen an, recht beachtliche Lohnabschlüsse tragen eben-falls ihr Scherflein bei. Dann hätten wir noch das Phänomen der „Greenflation“, also der Tatsache, dass die grüne Energiewende und der Umstieg auf nachhaltiges Wirtschaften gut, aber eben auch teuer sind. Des Weiteren nimmt die De-Globalisierung zu, bzw. wird der Globalisierungsprozess zumindest gehemmt. Soll heißen: Nationaler Protektionismus wird forciert, Handelsbeschränkungen werden aufgebaut, produziert wird möglichst nahe, und nicht dort, wo es am billigsten ist. Zu schlechter Letzt kommen noch der Ukraine-Krieg und weltpolitische Spannungen ins Spiel. Im Report heißt es dazu: „De-Globalisierung und weltweite Aufrüstung sprechen für ein strukturell – und nicht bloß vorübergehend – inflationäres Umfeld mit hoher Volatilität der Teuerungsraten.“
Rezession: Wie das Amen im Gebet
Was den Verbraucher schmerzt, ist aber gut für Gold-Liebhaber, denn das Edelmetall gilt als klassischer Inflationsschutz und Krisenwährung. Apropos Krisen: Die Incrementum-Experten gehen von einem Abrutschen in die Rezession in den kommenden zwölf Monaten aus, das komme „so sicher wie das Amen im Gebet“, zeigte sich Stöferle vor allem mit Blick in Richtung USA überzeugt. Er wies in diesem Zusammenhang auf die hohe Verschuldungsrate in den Vereinigten Staaten hin, und zwar bei Konsumenten, Unternehmen und der öffentlichen Hand. Die harsche Zinssituation würde die „gehebelte Volkswirtschaft“ unter Druck setzen und in einem Wirtschaftsabschwung enden. Wobei Ökonomen zwischen einer harten und milden Rezession unterscheiden – der Börsen-Kurier wollte wissen, welche Form die wahrscheinlichere sei? Darauf antwortete Valek: „Es ist schwierig zu quantifizieren, ob es zu einem Hard- oder Soft-Landing kommen wird. Unsere Einschätzungen liegen aber im Bereich einer harten Landung.“ Stöferle bestätigte und hält einen stark spürbaren Wirtschaftsabschwung zumindest in den USA für sehr wahrscheinlich: „Natürlich wünscht sich jeder eine milde Rezession, und dass danach alles schnell wieder in die Höhe geht, so wird eine harte Landung auch von Analysten nicht eingepreist. Indikatoren wie die Arbeitsmarktdaten und der Leading Economic Index (LEI) sprechen allerdings für eine tiefe Rezession.“ Anmerkung: Der LEI wird vom unabhängigen Forschungsverband Conference Board erstellt und hat seit 1968 jede Rezession verlässlich vorhergesagt …
Der Profiteur
Geopolitische Spannungen, kein Teuerungsstopp und dann auch noch Rezession – kein behaglicher Ausblick. Aber auch schlechte Nachricht bergen oft Gutes: Gold erweist sich nämlich gerade in Zeiten wirtschaftlicher Abschwünge als Renditebringer. Stöferle und Valek haben sich intensiv mit der Performance unterschiedlicher Asset-Klassen während einer Rezession auseinandergesetzt, dafür erfolgte die Unterteilung in fünf Phasen. Die Auswertung für Gold, Silber, Aktien allgemein, Rohstoffe und Minenaktien zeigt, dass sich Gold mit einer durchschnittlichen Performance von 10,6 %, während dem gesamten Rezessionszeitraum am besten als Hedge eignet. Allerdings muss man differenzieren: Während in den Phasen 1 und 2 die Performance von Gold mit 10,9 und 5,7 % sehr positiv ist, fällt sie in den späteren Phasen mit Werten jeweils unter 3 % deutlich schwächer aus. Ergo: Der Zeitpunkt erscheint jetzt nicht als der Schlechteste, um Goldbestände aufzubauen. Obwohl das richtige Market-Timing kaum zu erwischen ist, sind regel-mäßige Zukäufe wohl die sinnvollere und zugleich weniger nervenaufreibende Vari-ante.
Glänzender Ausblick
Jedenfalls zeigen sich die Experten weiter optimistisch; Valek: „Wir bestätigen unser langfristiges Goldpreisziel, es liegt im Basisszenario am Ende der Dekade bei 4.800 USD. Das würde einer Rendite von 12,5 % pro Jahr entsprechen.“ Diese Vorgabe erscheine laut dem Fondsmanager „mehr als realistisch“, vor allem wenn man im Hinterkopf behalte, dass in den 2000er-Jahren die annualisierte Rendite bei knapp 14,5 % lag.
Aber auch kurzfristiger gesehen sollte Gold anziehen: Die Spezialisten gehen davon aus, dass das Edelmetall schon bald auch auf Dollar-Basis sein All-Time-High knacken könnte. „Jetzt schon wurde immer wieder mit den Höchstständen geflirtet“, so Stöferle. Die Prognose lautet: 2.180 USD Ende des heurigen dritten Quartals und 2.500 USD bis zum dritten Quartal 2024. Zur Verdeutlichung: Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Gold-Reports hielt das Edelmetall bei 1.960 USD pro Feinunze. Gehen die Prognosen auf, könnte man sich aus heutiger Sicht also über einen Zugewinn von rund 11 bzw. 27 % freuen.
Interessant: Minenaktien
Im Report wurden aber auch andere Anlagemöglichkeiten durchgecheckt: Keine schlechten Karten hätten demnach langfristig Minengesellschaften, denn diese haben in den vergangenen zehn Jahren viel zu wenig investiert, es besteht Nachholbedarf. Und die Tatsache, dass die Branche über die höchsten Barmittelbestände seit Beginn der Aufzeichnungen verfügt, sowie Schulden abgebaut hat, schreit nahezu nach Fusionen und Übernahmen.
Fazit
Investments rund um Gold haben laut der sehr umfassenden Analyse einiges zu bieten, aber natürlich ist es nicht ratsam, alles auf eine Karte setzen. Eine „goldene Regel“ lautet: Das Edelmetall sollte in einem gut gestreuten Gesamtportfolio rund 10 % ausmachen.
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