Mercosur spaltet das Land
Wenn es um das Handelsabkommen geht, gehen die Meinungen auseinander.
Christian Sec. Seit 2019 ist das Mercosur-Freihandelsabkommen zwischen der EU und den südamerikanischen Staaten Argentinien, Paraguay, Brasilien und Uruguay ausverhandelt. Das Abkommen würde 91 % aller Zölle zwischen den beiden Wirtschaftsräumen abschaffen. Trotzdem steht Österreich gemeinsam mit Staaten wie Frankreich und Irland auf der Ratifizierungsbremse. Im Jahr des Verhandlungsabschlusses hat der Österreichische Nationalrat einen bindenden Beschluss zur Ablehnung des EU-Mercosur-Abkommens in der bestehenden Form gefasst, dem alle Parteien bis auf die NEOS zugestimmt haben. Die Regierung bleibt bis heute ihrem „Nein“ treu. Landwirtschaftskammer und Arbeiterkammer unterstützen die Haltung der Regierung, während die Vertreter der Wirtschaft und Industrie einen Beitritt befürworten.
Kein faires Abkommen
Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig bemängelte bei einem Vortrag in der Hagelversicherung in Wien im bestehenden Vertrag vor allem ein fehlendes Nachhaltigkeitskapitel. „Wenn wir in Europa in Bezug auf Klima- und Umweltschutz in Vorleistung gehen, dann kann es nicht egal sein, wie die Importe aussehen, und von wo sie kommen.“ Totschnig betont, dass dies keine kategorische Abwehrhaltung gegen Freihandelsabkommen sei. „Wir sind für Handelsabkommen, sofern sie fair sind.“ Darunter fallen für ihn z. B. Abkommen mit Neuseeland, Singapur oder auch CETA (EU-Kanada).
Der Zuckerhersteller Agrana sprach bereits in einer Aussendung von 2019 von einem politischen Fehler, falls die EU diesen Vertrag unterzeichnet. „Unsere Argumentation habe sich seither nicht wesentlich geändert“, erklärt Markus Sima, Sprecher von Agrana, gegenüber dem Börsen-Kurier. „Tatsache sei, dass die heimischen Rübenbauer und unsere Zuckerproduktion schon heute mit Wettbewerbsverzerrungen durch eine ungleiche Pflanzenschutzpolitik auf dem Weltmarkt konfrontiert ist“, so Sima. „Jede Harmonisierung von internationalen Regulierungen muss unter der Auflage stehen, dass auch die jeweiligen europäischen Qualitätsstandards eingehalten werden.“
Industrie für schnelle Ratifizierung
Profiteur eines Abkommens wäre jedenfalls die Industrie. Immerhin würde die neue Freihandelszone einen leichteren Zugang zu einem Absatzmarkt von 270 Millionen Menschen ermöglichen. Allein Brasilien mit seinen 215 Millionen potenziellen Konsumenten wäre ein reizvoller neuer Kundenmarkt für viele Unternehmen, der jedoch weiterhin seine international wenig konkurrenzfähige Industrie durch hohe Zölle schützt. Insgesamt gehe die EU nach vollständiger Umsetzung des Vertrags von einer Zollersparnis für europäische Exporteure in der Höhe von 4 Milliarden Euro aus. Darüber hinaus sollen Produktzertifizierungen vereinfacht werden und der öffentliche Beschaffungsmarkt für Mercosur-Länder für europäische Anbieter geöffnet werden, schreibt die Industriellenvereinigung. Diese verlangt von der Kommission ein aktives Drängen nach einem Abschluss. Man sollte in Europa die aktuelle Chance nicht verspielen und anderen globalen Playern, wie z. B. China, wertvolle Wirtschaftsbeziehungen überlassen, erklärt Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV) in einer Aussendung. „Die Mercosur-Region ist reich an Rohstoffen und seltenen Erden, die für die grüne Transformation immer mehr benötigt wird.“
WKÖ-Generalsekretär Karlheinz Kopf verweist darauf, dass die hohen europäischen Standards im Sozial-, Umwelt- und Lebensmittelbereich durch das Mercosur-Abkommen weiter sichergestellt sind.
Die von Börsen-Kurier befragten Industrieunternehmen fühlen sich anscheinend von der IV gut vertreten und wollten sich zu der Causa nicht weiter äußern.