Die Türkei als antizyklische Beimischung
Fallende Inflationsraten klaren die Sicht am Bosporus auf.
Roman Steinbauer. Der Finanzmarkt beurteilte das Ergebnis der Stichwahl um das Präsidentenamt in der Türkei wesentlich positiver als es die politische Berichterstattung vermuten ließ. Seit Ende des Wahlergebnisses zog der Istanbuler ISE 100-Index (ISIN: TRAIMKB00010) um 14 % auf 5.600 Punkte an.
Der Schub für türkische Aktien erscheint in einigen Aspekten schlüssig. Die in Dubai ansässige Tageszeitung Gulf News bestätigte in der Vorwoche, der neue türkische Außenminister, Hakan Fidan, strebe eine Verbesserung der Beziehungen zu vielen arabischen Ländern an. Da es sich unter anderem um gewichtige Länder wie Saudi-Arabien und den Iran handelt, eröffnen sich wirtschaftliche Perspektiven. Die EU selbst wiederum wird mit der Türkei als Handelsbrücke zwischen Europa und Asien (abseits einer fehlenden Beitrittsperspektive) über bilaterale Handelsabkommen weiterhin versuchen, Vorteile zu erzielen.
Positive Wende an Indikatoren ablesbar
Die Datenlage des Landes (das Durchschnittsalter der Bevölkerung beträgt lediglich 31,5 Jahre) verbessert sich zusehends. So kletterten nach Angaben des Turkish Statistical Institute (TURKSTAT) die Konsumentenpreise im Mai zum Vorjahresmonat um 41 %, während für Feber noch 55 % ausgewiesen wurden. Auf Monatsbasis zog die Teuerung noch um 0,65 % an, womit ein Erreichen eines einstelligen Niveaus in 2024 in Reichweite erscheint. Ebenso ermäßigten sich die Erzeugerpreise auf 41 %. War der Preisauftrieb im Service-Sektor im April auf Jahresbasis mit +72 % noch enorm, zeigt die Monatsbasis mit +3,9 % eine deutlich abflauende Tendenz. Das Konsumentenvertrauen markierte bereits im Juli 2022 mit 63 Punkten seinen Tiefstand. Dieser kletterte im Vormonat mit 93 Zählern immer-hin auf den höchsten Stand seit Dezember 2012. Zudem stieg im April die Kapazitätsauslastung der Industrie mit 75 % den dritten Monat in Folge und übersprang somit das Durchschnittsniveau der vergangenen 15 Jahre. Im Branchenfilter sticht die Expansion der Fischproduktion hervor, die selbst im Krisenjahr 2022 die Absätze um 6,2 % auf 849.000 t ausweitete.
Schwach zeigt sich weiterhin die türkische Lira (TRY) die binnen eines Monats 17 % auf 25 TRY per Euro abgab. Dadurch ergaben sich (trotz der jüngsten Kursanstiege an der Istanbuler Börse) Verluste für Euro-Anleger. Dies betrifft die Kreditinstitute Akbank (TRAAKBNK91N6), die Vakif Bank (US90015N1037), aber auch Karsan Automotive (TRAKARSN91H7), den Mobilfunkbetreiber Turkcell (US9001112047), das Bauunternehmen Enka Insaat (TRETTRK00010) oder den Getränkehersteller Anadolu Efes (US0325232017). Die Valoren des Industrie-Konglomerats KOC Holding (US49989A1097; steht für 9,5 % des türkischen Exportvolumens) liegen heuer in harter Währung hingegen im Plus. Der arbeitsintensiven Exportindustrie verschafft die Lira-Schwäche auch am ehesten Kostenvorteile.
Kleine Auswahl für den Gesamtmarkt
Abseits der ADR-Notizen in den USA oder in Europa bietet sich der Erwerb einiger gemanagter Produkte auf den türkischen Aktienmarkt an. Unter anderem offeriert die RBI den „Türkei Value Basket“ (RCB000000336). Auffällig hierzu ist die mit Abstand höchste Gewichtung der Ford Otomotiv Sanaji mit 29 %. BlackRock Asset Management offeriert mit dem „iShares MSCI Turkey UCITS“ (IE00B1FZS574; Basiswährung ist der US-Dollar) einen in Irland domizilierten ETF. Die beinhaltenden Aktien bilden die Industrie zu 31 %, den Finanzsektor zu 21 %, Rohstoffe zu 19 % und Konsumgüter zu 15 % ab. 99,9 % des Fondsvolumens von 100 Mio€ sind derzeit investiert. Über die HSBC ist hingegen der „MSCI Turkey ETF“ (IE00B5BRQB73) zu erwerben, in dem der Banksektor mit 20 % dominiert.
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