Tech-Riesen als Anlagefalle?

Übertriebene Bewertungen erhöhen das Risiko für Investoren enorm.

Roman Steinbauer. Steigende Aktienindizes des US-Technologiesektors deuten erneut auf einen breiten Anstieg des offensiven Anlagesegments. Bei einer Betrachtung der Einzelwerte wird klar: Wenige, aber vor allem die prominentesten Tech-Aktien zogen zuletzt den Nasdaq 100, den Nasdaq Composite (beinhaltet 3.000 Einzelwerte) sowie den relativ technologielastigen S&P-500-Index teils bis auf 11 % an die Rekordstände des November 2021 heran. Obwohl hohe Zinsen dem Segment grundsätzlich zuwiderlaufen, feuerten starke Quartalszahlen oder vielversprechende Prognosen von Apple (ISIN: US0378331005), Alphabet (US02079K1079), Microsoft (US5949181045), Amazon (US0231351067), Meta (US30303M1027) oder Oracle (US68389X1054) die Kursanstiege an. Aber auch Veröffentlichungen über Entwicklungserfolge durch die gewichtigsten Gesellschaften bereiteten die Zutaten der jüngsten Aktienhausse. So spitzt sich der Wettlauf um die Vorstellung leistungsstarker Datenbrillen zwischen dem Meta- und dem Apple-Konzern zu.

Seit Jahresbeginn zogen die Kurse von Apple um 40 % auf das Allzeit-Hoch von 180 USD, jene von Microsoft um 42 % auf 332 USD empor. Einer Rekordbewertung strebten zudem die Notizen der Oracle mit +26 % entgegen, während Alphabet mit +24 % weit überdurchschnittlich kletterte. Zwar befinden sich Papiere von Amazon noch 30 % unter dem Top von 123 USD, dennoch machten sie seit Jahresbeginn 42 % an Terrain gut. Am spektakulärsten stiegen unter den Schwergewichten aber seit 1. Jänner die Wertpapiere der Nvidia Corp. (US67066G1040) mit +170 %. Damit verdrängte die Gesellschaft aus Santa Clara mit einer Marktkapitalisierung von derzeit 934 MrdUSD (869 Mrd. Euro) unter den gesuchtesten Anlagefavoriten der obersten Riege den Media-Streaming-Vorreiter Netflix (umgerechnet 167 Mrd. Euro Marktwert) aus dem führenden halben Dutzend. Innerhalb weniger Wochen wurde Nvidia als Entwickler von Grafikprozessoren unter Investoren als bevorzugter Auftragsgewinner von Investitionen in die KI-Technologie definiert. So bezog sich der Nachrichtendienst Reuters in der Vorwoche auf Daten des Investment-Research-Hauses Vanda, wonach im Mai Individual-Anleger 28 Millionen Stück Nvidia-Aktien handelten und das Unternehmen in dieser Hinsicht bereits an vierter Stelle liegt. Davon unbeeindruckt, legte die Bewertung von Netflix auch um ein Drittel zu. Der Großteil an Aktien untergeordneter Ränge im Tech-Universum konnte sich diesen rasanten Anstiegen keineswegs anschließen.

Wenn auch am Beispiel des jüngsten Börsenstars Nvidia seitens diverser Investmentbanken Kurszielwerte bis zu 500 USD pro Aktie genannt wurden (JP MorganChase, Barclays Capital), erinnern relevante Bewertungsparameter an Zeiten höchster Auswüchse. Selbst ein eintreffendes jährlich hohes zweistelliges Wachstum würde einen langen Bestand erfordern, um die Verhältnisse zu rechtfertigen: Preis/Umsatz: 36, Preis/Cashflow: 76, Preis/Buchwert: 38, KGV 206. Dan Suzuki, Investment-Chef bei Richard Bernstein Advisors, äußerte sich in der Vorwoche im US-Nachrichtenkanal CNBC so: „Die Übertreibungen der Bewertungen erhöhen das Risiko enorm.“ Amy Wu Silverman, Managing Director bei RBC Capital Markets, zeigte sich gegenüber Bloomberg ebenso skeptisch: „Wer noch kaum investiert ist, sollte vorsichtig sein, jetzt noch aufzuspringen.“ Die laufende Rallye im Dunstkreis von KI übertünche zudem ungezügelte, heftige Rotationsprozesse in den Anlageklassen.

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