Die digitale Finanzindustrie im Tauchgang

Für FinTechs gestaltet sich die Investorensuche schwierig.

Roman Steinbauer. Konsolidieren statt Wachsen lautet das jüngste Dogma der Financial-Technology-Unternehmen. In der Disziplin der Kapital-Innovationen hinterließen das höhere Zinsniveau, die Inflation, Entlassungen, Abwertungen, aber auch Skandale ihre Spuren. Anbieter im Bereich der Krypto-Währungen stehen teilweise auch unter Druck. Eine Krise deutete sich seit geraumer Zeit an. Eine Marktanalyse der KPMG im Frühjahr ergab, dass die weltweiten Investitionen in FinTech-Gesellschaften im Jahr 2022 um mehr als 30 % von umgerechnet 213 auf 146 Milliarden Euro schrumpften. Der Abschwung beschleunigte sich besonders in der zweiten Jahreshälfte, in der nur noch 39 Milliarden Euro an Finanzierungen zur Verfügung standen. Für den deutschen Markt ermittelte der Unternehmensberater EY 2021 einen Zugang von 3,7 Milliarden Euro an Risikokapital, während im Vorjahr nur noch 1,3 Milliarden Euro generiert wurden.

Rationelle Erwartungshaltung ersetzt Euphorie
Die angeschlagene Marktlage führte bei Investoren zu einem Umdenken. Finanzierungsrunden mit extrem hohen Bewertungen gehören der Vergangenheit an. Im Kosmos der Fintechs haben sich (nicht börsennotierte) Vertreter wie die Online-Banken Solaris, Revolut, Nuri.com, Kontist, N26, der Neo-Broker Trade Republic, Robin Hood Financial oder Zahlungsanbieter wie SumUp oder Klarna (um einen Börsengang wurde es still, Anm.) vorerst etabliert.

Die Perspektiven für in den Startlöchern stehende Kandidaten verdunkeln sich hingegen. Geldgeber achten bei Start Ups nun sensibler auf eine nicht ausufernde Kostenseite. Wachstum genügt nicht, eine erkennbare Profitabilität rückt in den Vordergrund. Eugene Simuni, Fintech-Analyst des Marktforschers MoffettNathanson, äußerte im Juni gegenüber dem Finanzsender CNBC die Ansicht, wonach die Unternehmen bereits in die schwierigste Phase eingetreten seien. Der zyklische Gegenwind bleibe aber weiterhin bestehen. Simuni: „In der bitteren Zeit werden sich aber Langfristig-Gewinner herausbilden. Dabei kommt es spezifisch auf das Profil jedes Mitbewerbers, niedrige Kosten und auf eine stabile Finanzstruktur an.“ Viele kleinere Anbieter mit einem singulären Produktangebot würden aber nicht unabhängig überleben.

Gegenwind durch Aufsichtsbehörden
Eine zunehmende Skepsis von staatlicher Seite gegenüber der Branche war für die jüngste Entwicklung ebenso nicht förderlich. So publizierte bereits im September 2022 die Nachrichtenagentur Reuters eine Warnung des US-Bankenprüfers für Währungsgeschäfte, Michael Hsu, wonach das ausweitende Fintech-Geschäft systemische Risiken erhöhe. Die Komplexität und der destabilisierende Einfluss auf das Bankensystem steigen derart, dass Langfrist-Krisen ausgelöst werden könnten. Expandiere dieser Markt unreflektiert weiter, würden Störungen im Finanzsystem die Fehler offenlegen, die vorwiegend in der IT-Sicherheit lauern würden. Die Kundenstruktur und wo Bankgeschäfte enden und Technologe-Dienstleistungen beginnen würden, werde für Behörden dazu immer uneinsichtiger. Hsu prognostizierte als Folge Konzentrationsprozesse zwischen etablierten Finanzinstituten und digitalen Plattform-Anbietern: „Mit den fallenden Bewertungen und steigenden Finanzierungskosten werden die Partnerschaften zwischen Banken und Fintechs mehr werden.“

Nur eine Atempause
Vielgepriesene Vorteile der Produktangebote der FinTechs (einfacher, mobiler und nutzerfreundlicher Zugang) bleiben indes bestehen. Zudem ist die tägliche Nutzung der jeweiligen Plattformen im Alltag bereits vielen Millionen Anwendern geläufig. Die derzeitige Krise der Angreifer dürfte traditionellen Finanzdienstleistern wie Börsenbetreibern, Banken und Versicherungen daher bloß eine Atempause gönnen.

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