Ungewisses Aktienleben nach der Börse

Was passiert bei der Vererbung eines Wertpapiers eines nicht mehr börsennotierten Unternehmens?

Barbara Ottawa. Wenn ein Unternehmen nicht mehr an einer Börse notiert ist, kann es trotzdem sein, dass noch zuvor ausgegebene Wertpapiere in Umlauf sind. Ihr Wert hängt dann nicht mehr vom aktiven Handel an einer Börse ab. Was passiert, wenn solche Aktien vererbt werden? Der Börsen-Kurier hat nachgefragt.

Zunächst erläutert ein Sprecher der Wiener Börse, warum ein solcher Fall eher selten vorkommt: „Bei einem freiwilligen Rückzug von der Börse sieht das Börsegesetz ein Pflichtangebot der Hauptaktionäre vor. Bei einem Squeeze Out (also einem ‚Hinausdrängen‘, Anm.) bekommen die Aktionäre eine Abfindung, die vom Unternehmen festgelegt wird (siehe Gesellschafterausschlussgesetz), und deren Höhe in weiterer Folge gerichtlich überprüft werden kann.“ Sollten danach noch Aktien in Umlauf sein, besteht – so der Sprecher der Börse – „für das Unternehmen keine Verpflichtung, Aktien nach einem Delisting zurückzukaufen“.

Das gilt auch für Wertpapiere der Österreichischen Staatsdruckerei (ð HV-Bericht in dieser Ausgabe auf S. 13), die bis Mitte März 2020 an der Wiener Börse notiert war, dann aber an der Mindestgrenze von 2 % Streubesitz gescheitert ist. „Wir führen keinen Rückkauf durch“, bestätigte Thomas Pascher, Leiter Marketing und Kommunikationsmanagement der Staatsdruckerei GmbH. „Wir bieten in seltenen Fällen an, den Kontakt zu anderen interessierten Stellen herzustellen.“

Im Fall einer Vererbung ihrer Wertpapiere werde die Staatsdruckerei „üblicherweise vom rechtlich zuständigen Nachlassverwalter über die Vererbung einer solchen Aktie und über den neuen Eigentümer informiert“. Zur Bewertung könne er keine Auskunft geben, da dieser Sachverhalt „nicht in unseren Zuständigkeitsbereich als Unternehmen“ falle, so Pascher.

Versteckte Wertigkeit
Dass Fälle, in denen Aktien von nicht mehr börsennotierten Unternehmen vererbt werden, nur selten vorkommen, bestätigte gegenüber dem Börsen-Kurier auch Notar Stephan Verweijen. Er selbst hatte so einen Fall „bis dato einmal“. Aber ganz ausgeschlossen ist eine solche Konstellation eben nicht.

Verweijen beschreibt zwei Szenarien: Einerseits jenes der „unbedingten Erbantrittserklärung“, wo die Erben die volle Haftung übernehmen. Dabei müssen diese „selbst den Wert der Aktien angeben“. Dieser werde dann „(ungeprüft) in die Vermögenserklärung gemäß § 170 Außerstreitgesetz (AußStrG) aufgenommen“.

Wenn das Erbe nur bedingt angetreten wird, „wäre der Wert der Aktien gemäß § 167 Abs 1 AußStrG durch einen Sachverständigen zu ermitteln, sofern es keinen Börsenkurs gibt“.

Bei Unternehmen wie der C-Quadrat Investment AG, die bis Herbst 2018 an der Börse notiert war, kann ein Vererbungsfall nicht eintreten. Sprecherin Marie-Christine Fellner erläuterte dazu: „Sämtliche Anteile an C-Quadrat werden von juristischen Personen gehalten.“ Wo es Handlungs- bzw. Regelungsbedarf geben könnte, wäre, wenn „es bei einem Change of Control auf Aktionärsebene (aufgrund eines Todesfalls) zu einer Put-Option kommen würde“. Allerdings sei das bei C-Quadrat aufgrund der Gesellschafterstruktur „derzeit zumindest nicht bekannt“. Es kann also keine Verkaufsoption dadurch ausgelöst werden, dass sich in einer der Aktionärsstrukturen die Stimmrechtsausübung durch einen Todesfall ändert.

Wer also eine Aktie im Schrank der verstorbenen Großmutter findet, muss sich gut informieren, was diese wert ist bzw. wer sie kaufen möchte. Ähnliches gilt übrigens auch für Mitarbeiter von ehemals börsennotierten Firmen, die Aktien als Gehaltsteile oder Boni erhalten haben. Hier ist in Ermangelung eines Börsenkurses ebenfalls oft unklar, welchen aktuellen Wert die Papiere haben.

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