Die Bank der Welt am Tor zum Osten

Seit 75 Jahren ist Österreich Mitglied der sogenannten „Weltbank“.

Barbara Ottawa. In der Praterstraße 31 in Wien (Foto), im eckigen Hochhaus mit dem runden Kopf, sitzt die Weltbank bzw. einige jener Institutionen, die der sogenannten „World Bank Group“ angehören. Präsent war die 1944 im US-amerikanischen Bretton Woods als Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung gegründete Hilfsvereinigung hierzulande schon kurz nach Kriegsende.

Vor genau 75 Jahren trat Österreich dann als 47. Mitgliedsstaat bei. Ab der Mitte der 1950er flossen die ersten Kreditgelder – und zwar nicht nur bildlich gesprochen: Es wurden Stauseen angelegt, Kraftwerke gebaut und Stromverbindungen errichtet. So entstanden damals etwa die heute zum Verbund gehörenden Kraftwerksgruppen Reißeck/Kreuzeck in der Steiermark und Ybbs-Persenbeug in Niederösterreich.

Ein weiterer Fokus wurde auf diverse Industriezweige gelegt, vor allem Papier. Einige der damals unterstützten Betriebe sind heute noch tätig, wie etwa die Mayr-Melnhof Karton AG, die Bunzl & Biach AG oder die Mondi Frantschach GmbH. Andere Sparten, die für die Wiederaufbauhilfe unterstützenswert schienen, waren etwa Plastik (z. B. Semperit), Textilien (unter anderem Triumph) oder etwa die Leipnik-Lundenburger Zuckerfabriken AG.

Zuerst nehmen, dann (zurück)geben
Bald konnte sich Österreich vom Nehmer- zum Geberland in der Weltbankgruppe entwickeln, von denen die Bank für Wiederaufbau und Entwicklung nur eine von vielen Unterorganisationen geworden ist.

Tatsächlich hat vor allem das Finanzministerium seit den 2000er-Jahren an der Weiterentwicklung neuer Projekte mitgewirkt. 2007 wurde ein Büro der internationalen Organisation in Wien eröffnet, das heute etwa 250 Mitarbeiter beherbergt. Gemeinsam mit österreichischen Ministerien wurde nach der Finanzkrise 2008 ein Programm zur Vereinheitlichung von Finanzstandards weiterentwickelt. Es wird von Wien aus, im Büro des Financial Sector Advisory Center (FinSAC) der Weltbankgruppe, koordiniert. Gleiches gilt für das länderübergreifende Donau-Investitionsprojekt „Danube Water Program“ (DWP). Seit dem Jahr 2013 ist die Weltbank-Länderdirektion für Südosteuropa (Westbalkan) von der Praterstraße aus operativ tätig.

Mittelfristig sei das Ziel, „dass noch mehr Aktivitäten von Wien aus umgesetzt werden“, so das Ministerium gegenüber dem Börsen-Kurier.

Tor zum Osten
Für internationale Organisationen hat sich Wien schon früh als „Tor zum Osten“ etabliert. Es wurde das Potenzial heimischer Unternehmen gesehen, Zentral- und Osteuropa an westliche Wirtschaftsstandards heranzuführen. Die Weltbankgruppe half dabei über ihre Unterorganisation, die „Multilaterale Investitions-Garantie Agentur“ (MIGA). So erhielten etwa 2014 einige Netzwerkbanken der Raiffeisenbank International (RBI) am Balkan Garantien in der Höhe von 457 Millionen Euro. Damit konnten Risiken abgefedert und das lokale Kreditvolumen gesichert werden. Ein ähnlicher Schritt erfolgte Anfang 2023 für die Raiffeisen-Tochter RBUA in der Ukraine, die knapp mehr als 100 Millionen Euro an Sicherheiten auf ein Jahr Laufzeit erhielt. Solche Kreditzusagen erfolgen üblicherweise zu Marktkonditionen.

Aber das Tor öffnet sich in beide Richtungen: Mit der russischen Invasion in der Ukraine wurden rund 60 Mitarbeiter der Weltbankgruppe aus dem Büro in Kyjiw nach Wien gebracht. 2022 gewährte die Weltbank der Ukraine diverse Kredite, an denen sich Österreich mit 30 Millionen Euro beteiligte.

Kritik an der Weltbank kommt oft von jenen, die darin eine Fortsetzung alter Wirtschaftssysteme und internationaler Machtstrukturen sehen. Fraglich ist, ob die gleichen Ansätze, die Europas Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg ermöglicht haben, zur heutigen Weltordnung passen.

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