Wie Private Banker auf höhere Zinsen reagieren

Der Börsen-Kurier befragte fünf Institute zu den Anpassungen bei deren Anlagestrategien.

Michael Kordovsky. Anfang 2022 lag der Drei-Monats-Euribor noch bei minus 0,57 %. Bis 13. September 2023 folgte ein Anstieg auf 3,85 %. Und bei Staatsanleihen entwickelter Länder sind 4 bis 5 % Rendite keine Seltenheit mehr. Mittlerweile werfen Staatsanleihen der Emerging-Markets und High Yield Corporate Bonds Renditen von 7,3 bis 8,0 % ab. Diese neuen Rahmenbedingungen verändern Beratungsprozesse und Anlagestrategien der Private-Banker.

Kurze und mittlere Laufzeiten
Dazu Harald Holzer, Chief Investment Officer der Kathrein Privatbank, gegenüber dem Börsen-Kurier: „Das aktuelle Zinsumfeld hat zweifellos einen erheblichen Einfluss auf unseren Beratungsprozess und unsere Produktgestaltung in der Kapitalanlage. Im Vergleich zu 2020 erleben wir derzeit deutlich höhere Zinsen, wobei in den Kernländern Europas und den USA eine inverse Zinskurve zu beobachten ist. Diese Entwicklung hat mehrere Auswirkungen: Aufgrund der inversen Zinskurve sind kurzfristige Anlagen und Geldmarktveranlagungen derzeit be-sonders attraktiv. Hier können Anleger von den höheren Zinssätzen profitieren und gleichzeitig ihre Liquidität bewahren. Dies hat dazu geführt, dass wir vermehrt in kurzfristige Anlageprodukte beraten.“ Gleichzeitig ergeben sich auch Sonderchancen im mittleren Laufzeitspektrum: „Insbesondere bei schlechteren Bonitäten und Unternehmensanleihen ist die Inversion der Zinskurve nicht so stark ausgeprägt. Daher sind Anlagen mit mittleren Laufzeiten in diesem Segment besonders interessant, da sie attraktive Renditen bieten können, ohne die Volatilität längerfristiger Anlagen einzugehen“, so Holzer, der die Bond-Strategie der Kathrein Privatbank wie folgt skizziert: „Unsere Strategie beruht auf einem gut diversifizierten Anleihenportfolio, das es uns ermöglicht, deutlich höhere Renditen bei gleichzeitig geringerem und besser diversifiziertem Zinsänderungsrisiko zu erzielen.“ Eine Renditechance von bis zu deutlich mehr als 7 % bieten Emerging-Market- und High-Yield-Bonds, insbesondere EM-Bonds in Lokalwährung, bei denen auch Währungsgewinnchancen bestehen. „Diese Strategie erfordert jedoch eine genaue Analyse der Währungsrisiken“, so Holzer.

Attraktive Erträge bei geringem Risiko
Auf den Punkt bringt es Wolfgang Ules, Chief Investment Officer der Schellhammer Capital Bank AG: „In den vergangenen Jahren waren Aktien für ausgewogene Anleger alternativlos. Frei nach dem Motto: TINA (There is no alternative) spielten Aktien eine zentrale Rolle in den Portfolios ausgewogener Anleger. Nach den Renditeanstiegen des vergangenen Jahres haben Anleihen wieder deutlich an Attraktivität gewonnen“, und er verweist auf attraktive Renditen bei geringem Risiko: „Schon bei geringem Risiko lassen sich in Unternehmensanleihen guter und bester Bonität attraktive Renditen erzielen. Außerdem lohnt sich der Blick über den Tellerrand. US-Staatsanleihen gelten noch immer als sicherer Hafen, bieten aber weitaus höhere Renditen als Euro-Staatsanleihen mit vergleichbarer Bonität. Auch inflationsgeschützte Anleihen sollten nicht fehlen. Mit ihnen lässt sich der hohen Inflation weiterhin ein Schnippchen schlagen.“ Im Beratungsprozess ist die „TINA-Ära“ mit einst sehr hohen Aktienquoten vorbei. Jetzt werden die Kunden aktiv darauf angesprochen, ob sie nicht die Anleihequote wieder erhöhen wollen. Kunden mit Cash am Konto werden aktiv auf Angebote am Zinsmarkt hingewiesen und wegen drohender Abwertung durch fallende Immobilienpreise werden Kunden Alternativen zu offenen Immo-Fonds angeboten. Darüber hinaus kommt für langfristig orientierte Anleger mit unternehmerischem Hintergrund zur Portfolio-Optimierung noch Private Equity ins Spiel.

Unternehmensanleihen mit guter Bonität
Den Portfolio-Anteil an soliden Anlageprodukten, wie Anleihen- und Geldmarktprodukten, und liquiden Mitteln haben die Experten der Oberbank von 30 bis 40 % in der Niedrigzinsphase seit einigen Monate wieder sukzessive erhöht. Anleihen und liquide Mittel sind aktuell rund 44 % gewichtet. „Gleichzeitig sind wir der Meinung, dass auch die Anlageprodukte mit höherer Schwankung (insbesondere Aktien) vor allem längerfristig betrachtet weiterhin interessant sind, weshalb dieser Anteil mit etwa 56 % weiterhin höher als Anleihen und liquide Mittel gewichtet ist“, so ein Statement der Oberbank. Obwohl nach Kursverlusten aufgrund des Zinserhöhungszyklus Anleihen grundsätzlich ein besseres Chancen-Risiko-Verhältnis aufweisen, muss genau selektiert werden: „Die Bewertung von europäischen Unternehmensanleihen ist im Vergleich zu den letzten zehn Jahren weiter günstig. D.h., die Renditeabstände (Credit Spreads) befinden sich zwischen europäischen Unternehmensanleihen und deutschen Staatsanleihen weiter auf historisch hohem Niveau. Das Renditeniveau bzw. die Ertragserwartung pro Jahr liegt bei Unternehmensanleihen mit guter Bonität im Euroraum mittlerweile bei deutlich über 4 % – ein Niveau, das wir seit zehn Jahren kaum gesehen haben. Vorsichtig sind wir bei Hochzinsanleihen, da das globale konjunkturelle Wachstumsbild gemischte Signale sendet. Neben Unternehmensanleihen haben auch Staatsanleihen mit guter Bonität und Geldmarktprodukte an Bedeutung gewonnen“, erklärt die Oberbank, die verstärkt auf Nachhaltigkeit achtet.

Renditepuffer für mögliche Börsenkorrekturen
Die Mischung von Anleihen mit Aktien ergibt auf jeden Fall Sinn, was Schoellerbank-Vorstandsvorsitzender Helmut Siegler wie folgt skizziert: Im gemischten Portfolio können Anleihen nun wieder ihre stabilisierende Rolle als Gegengewicht zu Aktienanlagen erfüllen. Sollten die Aktienmärkte aufgrund sich abschwächender Konjunkturdaten stärker unter Druck geraten, werden ausgewogene Portfolien durch die Anleihen teilweise entschädigt.“ Die Bondveranlagungen im Private Banking der Schoellerbank skizziert Siegler: „Neben Staatsanleihen investieren wir in inflationsindexierte Anleihen und Unternehmensanleihen. Als kleinere Beimischungen bieten Fremdwährungen (G10-Staaten) und Schwellenländeranleihen mit guter Bonität interessante Möglichkeiten. In einem konservativ strukturierten Rentenportfolio sorgt allein die laufende Verzinsung derzeit für einen Ertrag von drei bis vier Prozent. Dies ist auch ein Renditepuffer für mögliche Börsenkorrekturen im Portfoliokontext. Sollte der Zinsdruck in der zweiten Jahreshälfte tatsächlich wieder nachlassen, sind bei Anleihen Kursgewinne möglich.“

In Bezug auf Aktien wurden die Experten der Schoellerbank heuer etwas defensiver: „Die Wachstumsaussichten haben sich aufgrund höherer Zinsen eingetrübt und wir haben die Aktienquote deshalb in den letzten Monaten reduziert. Wir konzentrieren uns auf solide Unternehmen mit angemessenen Bewertungen. Auch eine steigende Dividende ist attraktiv. Mittelfristig sind wir für den Aktienmarkt nicht pessimistisch. Kurskorrekturen bieten Einstiegsmöglichkeiten“, so Siegler.

Anleihen als Konkurrenz zu Alternativen Investments
Im Private Banking der UniCredit Bank Austria signalisiert Oliver Prinz, Leiter Investment Strategy, die gestiegene Bedeutung von Anleihen wie folgt: „Der deutliche Anstieg der Zinsen hat natürlich auch Einfluss auf die Finanzmärkte. In unserer Asset Allocation haben Anleihen daher an Attraktivität sowohl absolut, was die Rendite betrifft, als auch relativ in Bezug zu Aktien gewonnen. Anleihen werden in Zukunft zum Portfolioertrag wieder einen attraktiven Beitrag leisten und können auch eine Absicherung bei fallenden Aktienkursen bieten. Gute Bonitäten bei Anleihen sind bei uns daher im Fokus. Der Inflationsschutz bleibt zwar weiterhin attraktiv, aber nicht in dem Ausmaß wie vor einem Jahr. Wir haben mittlerweile auch die Duration, also im Wesentlichen die Bindungsdauer, bei Anleihen verlängert.“ In den vergangenen Monaten wurde der Aktienanteil reduziert und bezüglich alternativer Veranlagungen gibt Prinz folgendes Statement: „In Bezug auf alternative Veranlagungen haben wir im Niedrigzinsumfeld in der Vermögensverwaltung vor allem Absolute- bzw. Total-Return-Fonds übergewichtet. Diese Fonds dienten hauptsächlich als Ersatz für die Anleihen, die damals sogar negative Renditen brachten. Aktuell sind die Alternativen Investments durch die höheren Renditen bei Anleihen wieder weniger attraktiv geworden.“

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