Zeit für defensive Schritte
Höhere Zinsen machen defensive Veranlagungen wieder attraktiv.
Michael Kordovsky. Die Geldanlage und Pensionsvorsorge auf Basis von Aktien oder Aktienfonds hat sich in den vergangenen Jahren gut entwickelt. Per 15. September liegen S&P 500 und NASDAQ 100 auf Dreijahres-Sicht jeweils 31,2 bzw. 35,2 % im Plus. ATX und CAC 40 stiegen sogar um 40,9 bzw. 45,4 %. Anleihen-Kurse brachen hingegen ein, woraus das aktuell hohe Renditeniveau resultiert. Mittlerweile droht weltweit großen Unternehmen ein Gewinneinbruch infolge eines globalen Konjunkturabschwungs. Da schadet es nicht, die bisher erreichte Performance mal abzusichern und leiser zu treten, denn die nächste größere Korrektur an den Aktienmärkten kommt bestimmt. In diesem Zusammenhang gibt es gute Nachrichten für Anleger: Es gibt wieder Alternativen zu Aktien und Immobilien. Sparprodukte werden zunehmend attraktiver und kurzfristig 3,0 % und mehr sind durchaus üblich, während manche Bausparverträge mit 3,5 % Fixzinsen auf das erste Jahr und der anschließenden Zinsbindung an den 12-Monats-Euribor durchaus attraktiv erscheinen. Und auch Anleihen sind wieder ein Thema: Die Renditen hochwertiger Staats- und Unternehmensanleihen liegen mittlerweile wieder zwischen 3,50 und 5,00 %. Die Renditen einjähriger US-Treasuries und österreichischer Bundesanleihen lagen am 15. September 2023 bei jeweils 5,44 bzw. 3,69 %. Zehnjährige italienische Staatsanleihen rentieren mittlerweile bei 4,46 % und einjährige französische Papiere bei 3,77 %.
Risikoreduktionsmöglichkeiten für ausgewogene Anleger
Ausgewogene Anleger der Altersgruppe 35 bis 50 Jahre, die beispielsweise mit erhöhten Aktien(fonds)quoten von 50 bis 60 %, AI-Fonds-Investment-Quoten von 15 bis 20 % und Immobilienfondsquoten von 20 % und mehr in den Negativzinsjahren 2015 bis 2022 versuchten, möglichst hohe Erträge zu erwirtschaften, könnten wie folgt – bei durchaus noch lukrativen Renditen – Risiken aus dem Portfolio nehmen:
Risikoreduktion
• Generell: Aktienquote auf 40 bis 50 % reduzieren, offene Immobilienfondsquote auf 5 % reduzieren, bei AI-Fonds an zwischenzeitliche Gewinnmitnahmen denken.
• Gewinnmitnahmen bei Technologie-Aktienfonds und bei einzelnen Technologiewerten.
• Reduktion zyklischer Aktien und Aktieninvestments in Japan und den Schwellenländern.
• Aktien: Umschichtung in Dividenden-Fonds, sofern diese in vergangenen Drawdowns tatsächlich eine hohe relative Stärke zeigten.
• Aktien: Umschichtung in defensive Branchenfonds mit Schwerpunkten Nahrungsmittel oder Biotech/Pharma.
• Offene Immo-Fonds in geldmarktnahe Euro-Anleihen-Fonds, Investment-Grade-Corporate-Bond-Fonds und lukrative Sparprodukte umschichten.
Risikoreduktion für die Anlegergeneration 50 plus
Hier lautet vor allem bei hohen Ersparnissen das Motto: „Keine Experimente“. Vermögenserhalt hat Priorität: Im aktuellen Umfeld sollte das Portfolio so gestaltet sein, dass es laufende Erträge aus Zinsen und Dividenden gibt, wobei sich die Aktienquote mit 20 bis 25 % im überschaubaren Bereich halten sollte. Stattdessen können Anleger mit einem unbelasteten Finanzvermögen von mindestens 250.000 Euro an eine Beimischung von bis zu 10 % Private-Equity-Dachfonds denken, woraus beispielsweise für einen Anlagebetrag von über 250.000 Euro folgende Asset-Allocation resultieren könnte:
Musterportfolio Generation 50 plus ab 250.000 Euro
25 % Sparprodukte
20 % Aktien(fonds) mit Schwerpunkt solider Dividendenzahler und defensiver Branchen
15 % Geldmarktnahe Fonds/ETFs mit Schwerpunkt Eurozone
10 % Inflationsgeschützte Anleihen (via Fonds und/oder ETFs)
10 % Investment Grade Corporate Bond Fonds
10 % Private Equity-Dachfonds (langfristige Vorsorgekomponente)
10 % Gold (Bullion-Gold, physisch in Münzen und Barren)
Erbschaften besonders defensiv veranlagen
Besondere Vorsicht sollten Anleger bei Erbschaften von mehr als 100.000 Euro walten lassen. Die einfachste Lösung wären hier lukrative Sparprodukte einzelner Banken, wobei die Beträge pro Institut unter der staatlichen Einlagensicherungsgrenze von 100.000 Euro liegen sollten. Wer noch das sehr langfristige Risiko von Papiergeldsystemen absichern möchte, kann beispielsweise als „Feuerversicherung“ des Portfolios 8 bis 12 % in physischem Gold (Barren oder Münzen wie Krügerrand oder Philharmoniker) anlegen. Hinzu kommen noch weitere defensive Alternativen.
Bei Neuveranlagungen werden klassische Lebensversicherungen infolge des höheren Zinsniveaus wieder zunehmend interessanter. Wer im Todesfalle Angehörige finanziell absichern möchte, könnte sich zukünftig hier durchaus an Renditen von 2 bis 3 % p.a. erfreuen. Alternativ mehren sich lukrative Garantieprodukte, die von Großbanken emittiert werden. Interessant sind beispielsweise Produkte, deren Rückzahlungsbetrag von bestimmten Indexständen zu Beobachtungstagen abhängt. Hier sind u.a. ESG-orientierte Aktienindizes als Basiswert im Vormarsch.
Aus diesen Möglichkeiten resultiert folgender Vorschlag zur Absicherung von Erbschaften oder Erlösen aus Immobilienverkäufen in Höhe von beispielsweise 300.000 Euro:
40 % Sparprodukte, gesplittet auf zwei Banken
20 % Garantieprodukte auf Basis interessanter Aktienindizes
20 % Klassische Lebensversicherung
10 % Geldmarktnahe Fonds/ETFs mit Schwerpunkt Eurozone
10 % physisches Gold
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