Die Ernüchterung nach vielen Jahren des Aufwinds
Die Expo Real 2023, Europas größte Immobilienmesse, stand ganz im Zeichen der laufenden Krise.
Patrick Baldia. Langsam, aber sicher scheint sich in der Immobilienbranche das Bewusstsein durchzusetzen, dass die aktuelle Krise doch nicht – wie erhofft – ein kurzfristiges Intermezzo sein wird und die Zentralbanken bald wieder die Zinsen senken werden. Dieser Eindruck hat sich den Besuchern der Branchenfachmesse, die von 4. bis 6. Oktober in München stattfand, erschlossen. Von so manchem Branchenplayer war zu vernehmen, dass durchaus noch einige Jahre vergehen könnten, bis die Investitionstätigkeit wieder ein normales bzw. substanzielleres Niveau erreichen wird, Bauvorhaben wie gewohnt umgesetzt werden und sich das Inflationsgespenst verflüchtigt.
Was sagen die österreichischen Messeteilnehmer? „Derzeit weiß niemand so recht, wie hoch der Zinsgipfel sein wird oder ob er vielleicht sogar bereits erreicht ist“, so Franz Pöltl, geschäftsführender Gesellschafter der heimischen EHL Investment Consulting, zum Börsen-Kurier. Solange diese Unsicherheit bestehe, würden Preisvorstellungen von Käufern und Verkäufern weiterhin auseinanderklaffen und dementsprechend nur wenige Transaktionen abgeschlossen werden. Nachsatz des Experten: „Wer aktuell verkaufen muss, ist daher mit sehr herausfordernden Rahmenbedingungen konfrontiert.“
Investiert wird auch derzeit
Positiv ist für Pöltl, dass die Banken bei bestehenden Engagements durchwegs sehr kooperativ wären und mit ihren Kunden Wege suchen würden, um diese durch die aktuell sehr schwierige Zeit zu begleiten und Finanzierungen zu restrukturieren. Der EHL-Experte legt Wert auf die Feststellung, dass weiterhin investiert werde, auch wenn die Schlagzahl geringer sei. In die gleiche Kerbe schlägt man auch bei Arnold Immobilien, einem weiteren Top-Investmentmakler aus Österreich. Bei der Expo Real geführte Gespräche würden Anlass zu vorsichtigem Optimismus geben und man hoffe auf eine ähnliche Entwicklung wie nach der MIPIM (jährlich in Cannes stattfindende Immobilienmesse, Anm.) im vergangenen März, so CEO und Alleineigentümer Markus Arnold. An der Côte d‘Azur habe man einige vielversprechende Deals anbahnen können, die mittlerweile abgeschlossen werden können. „Entgegen der aktuellen Marktsituation verzeichnen wir mit einem Transaktionsvolumen von rund 200 Millionen Euro das erfolgreichste dritte Quartal seit Gründung“, hält er fest.
Wie schaut es mit den börsennotierten österreichischen Immobiliengesellschaften aus? Während die Immofinanz durch Abwesenheit glänzte, war zumindest die S Immo aus dem Reich der CPI Property Group vor Ort vertreten. Anwesend waren darüber hinaus auch die CA Immo, UBM und Warimpex. Dass die Österreicher in München insgesamt – zumindest nach außen – etwas angespannter wirkten als ihre deutschen Kollegen, sei jedenfalls darauf zurückzuführen, dass sich gewisse Entwicklungen erst mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung in Österreich einstellen, so ein Insider zum Börsen-Kurier. Tatsächlich wurde die deutsche Immobilienbranche in den letzten Wochen und Monaten von einer Vielzahl an Insolvenzen erschüttert. Nur ein paar Namen: Project Immobilien, Centrum, Development Partners, Euroboden und Gerchgroup.
Mehr Besucher
Zumindest ist mit mehr als 40.000 (2022: 39.000) die Besucherzahl nicht zurückgegangen, wenngleich sich auch etwas weniger Unternehmensvertreter bei der größten europäischen Messe für Immobilien und Investitionen blicken ließen. Beim Veranstalter Messe München führt man das auf den großen Diskussionsbedarf zurück. „Steigende Zinsen, stagnierende Bauvorhaben, Inflation – die Problemstellungen sind vielfältig“, sagt CEO Stefan Rummel. Das gleiche trifft auf das Konferenzprogramm zu, in dem Themen wie Wohnungsbau oder Finanzierung bzw. Refinanzierung den Ton angaben und zum Teil kritisch diskutiert wurden.
Der Blick wird aber auch nach vorne gerichtet, wie weitere Schwerpunktthemen, wie ESG, Digitalisierung, Stadtentwicklung und demographischer Wandel vor Augen führten. Zumindest, die Erkenntnis, dass sich die Immobilienbranche dieser Herausforderungen bewusst ist und bereit ist, sich diesen zu stellen, ist für nicht wenige Messebesucher ein Anlass für vorsichtigen Optimismus.
Foto: Messe München GmbH