„Es gibt keinen Grund für ein Provisionsverbot“
Der Börsen-Kurier im Vorsorge-Gespräch mit Christian Nuschele von Standard Life.
Klaus Schweinegger. Christian Nuschele ist Vertriebschef für Deutschland und Österreich bei Standard Life. Der britische Lebensversicherer ist Anbieter fondsgebundener Vorsorgeprodukte und arbeitet in Österreich ausschließlich mit unabhängigen Vermögensberatern zusammen.
Wir haben beim Experten nachgefragt, wie sich die Produkte seiner Gesellschaft in den aktuell herausfordernden Zeiten bewähren, aber auch, wie er zum Thema gezillmerte oder ungezillmerte Verträge (Anm.: unter „gezillmerten“ Verträgen versteht man die Verrechnung der Verwaltungs- und Abschlusskosten einmalig zu Beginn bei Lebensversicherungsverträgen mit laufender Prämienzahlung) und vor allem zur Diskussion über ein EU-weites Provisionsverbot steht.
Börsen-Kurier: Herr Nuschele, abseits der schrecklichen Nachrichten zuletzt aus dem Nahen Osten bzw. aus Israel machen sich viele Kundinnen und Kunden auch um ihre Geldanlage Sorgen. Welche Auswirkungen haben die gestiegenen Zinsen und die unverändert hohe Inflation aus Ihrer Sicht auf die private Vorsorge?
Christian Nuschele: Wir leben aktuell politisch und wirtschaftlich in sehr herausfordernden Zeiten. Was die private Vorsorge betrifft, so sind unverändert die Auswirkungen der hohen Inflation deutlich zu spüren. Konsumentinnen und Konsumenten halten sich aktuell mit langfristigen, finanziellen Entscheidungen sehr stark zurück. Bei bestehenden Verträgen sehen wir, dass die Flexibilität der Produkte in Form von Beitragsreduzierungen und -ferien genutzt wird, um auf finanzielle Engpässe zu reagieren. Kündigungen oder Stornierungen halten sich hingegen erfreulicherweise in Grenzen, meistens wird an der langfristigen Strategie festgehalten. Die gestiegenen Zinsen haben dafür gesorgt, dass Bankprodukte wie Tages- oder Festgeld wieder stark an Beliebtheit gewonnen haben. Man übersieht aber leicht: Trotz vermeintlich hoher Zinsen geht auf Grund der hohen Inflation Kaufkraft verloren.
Börsen-Kurier: Sie vertreiben Fondspolizzen über den unabhängigen Vertrieb. Wie verhalten sich Ihre Produkte in dieser Phase?
Nuschele: An den grundsätzlichen Vorteilen einer Fondspolizze hat sich auch in der aktuellen Phase nichts geändert. Sie bieten sehr attraktive Anlagemöglichkeiten. Ob konservativ oder chancenorientiert, für jeden Kundentypen ist die passende Lösung dabei. Was auch in dieser Phase wichtig ist: Fondswechsel sind einmal monatlich kostenfrei möglich, im Vergleich zum Depot fällt kein Ausgabeaufschlag an. Das ist nicht der einzige steuerliche Vorteil. Kunden zahlen grundsätzlich nur 4 % Versicherungssteuer, Kapitalertragssteuer fällt nicht an. Die Kapitalabfindung und die Rente sind bei Fondspolizzen grundsätzlich steuerfrei. Die hohe Flexibilität von Fondspolizzen hatte ich bereits angesprochen. Zusätzlich zu Beitragsreduzierungen oder -ferien sind auch jederzeit Zuzahlungen oder Entnahmen möglich, um so auf wechselnde Lebenssituationen reagieren. Der ganz zentrale Vorteil von Fondspolizzen ist aber die Absicherung des Langlebigkeitsrisikos. Dies hat kein anderes Vorsorgeprodukt zu bieten.
Börsen-Kurier: Auch die Diskussion für Vor- und Nachteile von ungezillmerten Tarifen hält an. Welche Erfahrungen haben Sie mit Ihren Vertriebspartnern diesbezüglich?
Nuschele: Wir machen sehr positive Erfahrungen. Die Beliebtheit von ungezillmerten Tarifen wächst, der Anteil am Neugeschäft steigt kontinuierlich. Besonderes Argument für einen ungezillmerten Tarif ist, dass die Entnahme der Kosten über die gesamte Vertragslaufzeit erfolgt. Dadurch kann von Anfang an ein deutlich höherer Anteil der Prämien investiert werden und es ist direkt nach Vertragsstart ein höherer Restwert (Rückkaufswert) und zum Vertragsende eine höhere Ablaufleistung möglich. Wenn man berücksichtigt, dass mehr als die Hälfte der Versicherungsverträge in Österreich vor Vertragsablauf gekündigt werden, kann ein ungezillmerter Tarif eine sehr sinnvolle Alternative sein.
Börsen-Kurier: Nicht minder intensiv – vor allem im Zusammenhang mit der EU- Kleinanlagerstrategie – wird über das Thema Provisionsverbot debattiert. Wie ist Ihrer Einstellung zu diesem Thema?
Nuschele: Meine klare Meinung ist, dass es auch weiterhin ein Nebeneinander von Provisions- und Honorarberatung geben sollte. Unabhängige Beraterinnen und Berater leisten eine hochwertige Arbeit und sollten auch entsprechend vergütet werden. Ob die Vergütung über eine Provision oder ein Honorar sinnvoller ist, hängt sehr stark von der individuellen Situation ab. Mir ist sehr wichtig, noch einmal klarzustellen, dass es keinen Grund für ein Provisionsverbot gibt. Die häufig genannten Argumente von Fehlanreizen durch Provisionen oder gar Provisionsexzessen kann ich in der breiten Masse nicht erkennen. Sozialpolitisch könnte ein Provisionsverbot erhebliche Nachteile haben, weil sich große Teile der Bevölkerung eine Beratung nicht mehr leisten könnten. In anderen Ländern wie Großbritannien ist dies der Fall und ich kann mir auch in Österreich eine ähnliche Entwicklung vorstellen. Dies kann von Seiten der politischen Entscheidungsträger eigentlich nicht gewünscht sein.
Foto: Standard Life