Die geldpolitische Lockerung kehrt zurück

Bei J. Safra Sarasin rechnet man heuer mit ersten Zinssenkungen und schwachem Wachstum.

Raja Korinek. Das Ende der Nullzins-Ära, das aufgrund der steigenden Inflation eingeläutet wurde, hat auf den globalen Kapitalmärkten zu einem Paradigmenwechsel geführt. Allein 2022 verloren sowohl die Aktien- als auch die Anleihemärkte an Wert. Seit dem vergangenen Herbst zeichnete sich hingegen eine Abschwächung bei der Inflationsdynamik ab, wenngleich die Teuerung im Dezember im Jahresvergleich wieder zulegte. In der Eurozone lag das Plus bei 2,9 %, in den USA bei 3,4 %.

Müssen Anleger folglich einen Trendbruch befürchten? Der Trend sinkender Inflationsraten sei damit nicht gebrochen, konstatiert Karsten Junius, Chefökonom bei der Bank J. Safra Sarasin, bei der Präsentation seines Jahresausblicks 2024. Der Börsen-Kurier war dabei.

Inflationsrückgang mit Ausreißern
Dennoch verlaufen solche Entwicklungen nicht linear, Gegenbewegungen seien normal. Dabei waren es in den USA insbesondere höhere Wohnkosten, die sich negativ niederschlugen. „Es braucht eben Zeit, bis sich der Trend rückläufiger Immobilienpreise durchschlägt.“ Im Schnitt dürfte heuer die Inflation in den USA auf 2,5 % sinken, in der Eurozone auf 2,3 %.

Die Frage bleibt somit, wann die Zentralbanken die Leitzinsen senken werden. Den ersten Schritt prognostiziert Junius seitens der Fed im Mai oder Juni – um 0,25 %-Punkte. Derzeit liegt der Leitzins in einer Spanne von 5,25 bis 5,5 %. In der Eurozone dürfte dem Sarasin-Experten zufolge die Geldpolitik erstmals im Juni gelockert werden, wenngleich dies dem Ökonomen zufolge zu früh sein könnte. „Die Lohnentwicklung in der Eurozone ist stark, deren Auswirkungen auf die Inflation sollten zunächst beobachtet werden.“

US-Dollar dürfte heuer sinken
Junius verweist auf eine weitere Prognose: Weil die Fed die Zinsen heuer stärker als die EZB senken dürfte, werde voraussichtlich der US-Dollar zum Euro an Wert verlieren. Denn eine höhere Verzinsung in der Eurozone im Vergleich zu jener in den USA dürfte entsprechend mehr Kapital – auch aus dem Ausland – anlocken und dem Euro zu einem Auftrieb verhelfen. Im 4. Quartal 2024 sollte der Wechselkurs bei gut 1,10 zum Dollar liegen. Zuletzt lag der Kurs (per 12. Jänner) bei 1,096 US-Dollar zum Euro.

Doch wie könnte es mit der konjunkturellen Entwicklung weitergehen? In den USA rechne man mit keiner Rezession. Das BIP dürfte im laufenden Jahr dennoch um nur 1,1 % wachsen – nach einem Plus von 2,5 % im Vorjahr. Grund für den gedämpften Ausblick liegt unter anderem in der Erwartung, dass staatliche Stützen, die während der Corona-Pandemie ins Leben gerufen wurden, zurückgefahren werden. Obendrein sind überschüssige Ersparnisse der US-Haushalte, die ebenfalls in jenem Zeitraum angehäuft wurden, schrittweise aufgebraucht.

In der Eurozone wird hingegen mit einem BIP-Zuwachs von 0,5 % gerechnet. Dabei sollte die Binnennachfrage von den steigenden Reallöhnen gepaart mit der Normalisierung der Inflation profitieren, meint Junius. Er räumt deshalb europäischen Aktien im Vergleich zu US-Titeln das größere Potenzial ein. Insgesamt sei man jedoch ein wenig zurückhaltend bei Aktien und Anleihen. Dafür halte man aktuell eine größere Cash-Position, eine opportunistische Entscheidung, betont der Sarasin-Volkswirt. „Sobald sich eine günstige Gelegenheit ergibt, würden wir umschichten.“ Angesichts der aktuellen Spannungen im Roten Meer sind Korrekturen an den Märkten freilich nicht auszuschließen.

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